Mit Haut und Haar: 6. Fall mit Tempe Brennan
Wilderei ein Problem?«, fragte Ryan.
Ein seidenes Achselzucken. »Ich schätze eher nicht.«
»Hat der FWS das je untersucht?«, fragte ich.
»Keine Ahnung.«
Lijas Freund kam zu uns und stellte eine Frage nach den Vorzügen der Mann- gegenüber der Zonendeckung. Cousins’ Aufmerksamkeit wanderte zu dieser Unterhaltung.
So viel zur Bärenwilderei.
Auf dem Heimweg fragte ich Ryan, was er von Cousins’ Aussagen halte.
»Komisch, dass ein Wildhüter in den Carolinas nichts über Bären weiß.«
»Ja«, stimmte ich zu.
»Du magst den Kerl nicht, was?«, fragte Ryan.
»Ich habe nicht gesagt, dass ich ihn nicht mag.«
Keine Erwiderung.
»Ist das so offensichtlich?«, fragte ich nach ein paar Augenblicken.
»Mittlerweile durchschaue ich dich ganz gut.«
»Nicht, dass ich ihn nicht mag«, sagte ich wie zur Rechtfertigung. Sondern? »Ich mag es nur nicht, dass ich nicht weiß, ob ich ihn nicht mag.«
Ryan ließ es dabei beruhen.
»Ich fühle mich in seiner Gegenwart einfach unbehaglich«, ergänzte ich.
Als wir zu Hause ankamen, machte Ryan noch eine beunruhigende Feststellung.
»Vielleicht ist dein unbehagliches Gefühl nicht ganz unbegründet, Mom.«
Ich warf Ryan einen Blick zu, der in der Dunkelheit jedoch vergeudet war.
»Du hast mir erzählt, dass Boyd seine große Entdeckung bei diesem Zigarrenladen-Picknick gemacht hat.«
»Katy war begeistert.«
»Da hast du Cousins kennen gelernt?«
»Ja.«
»Er hat Boyds Fund gesehen?«
»Ja.«
»Das bedeutet, dass zumindest noch eine Person wusste, wie und wo man sich auf der Foote-Farm die Nase pudert. Entschuldige den Kalauer.«
Wieder rutschte mir das Herz in tiefere Gefilde.
»Palmer Cousins.«
21
Im August wird in North Carolina der östliche Horizont am Fuß des Gebirges gegen fünf Uhr dreißig grau. Um sechs wandert die Sonne die Bergflanken hinauf.
In der ersten Dämmerung wachte ich auf und sah zu, wie die Gegenstände auf der Kommode, dem Nachtkästchen, auf dem Sessel und den Wänden allmählich aus dem Schatten traten.
Ryan lag neben mir auf dem Bauch. Birdie hatte sich in der Kuhle meiner Kniekehlen zusammengerollt.
Bis halb sieben hielt ich es im Bett aus.
Birdie blinzelte, als ich unter der Decke hervorkroch. Er stand auf und machte einen Buckel, als ich meinen Slip vom Lampenschirm zog. Ich hörte Pfoten auf dem Teppich landen, als ich auf Zehenspitzen aus dem Zimmer schlich.
Der Kühlschrank summte mir etwas vor, während ich Kaffee kochte. Draußen tauschten Vögel den Vogelklatsch dieses Morgens aus.
So leise wie möglich goss ich mir ein Glas Orangensaft ein, trank es, nahm mir dann Boyds Leine und ging ins Arbeitszimmer.
Der Chow-Chow lag ganz ausgestreckt auf dem Sofa, den linken Vorderlauf an der Rückenlehne in die Höhe gestreckt, den rechten quer über dem Kopf.
Boyd, der Beschützer.
»Boyd«, flüsterte ich.
Von einer Sekunde zur anderen stand der Hund mit allen vieren auf dem Fußboden.
»Hier, Junge.«
Kein Blickkontakt.
»Boyd.«
Der Hund drehte die Augen zu mir hoch, rührte sich aber nicht.
»Spaziergang?«
Boyd blieb, wie er war – die Verkörperung der Skepsis.
Ich wedelte mit der Leine. Keine Chance.
»Ich bin nicht böse wegen der Couch.«
Boyd ließ den Kopf sinken, schaute wieder hoch und verwirbelte seine Brauen ein wenig.
»Wirklich nicht.«
Boyd stellte die Ohren auf und legte den Kopf schief.
»Na komm.« Ich wickelte die Leine auf.
Als Boyd erkannte, dass dies keine Falle war und dass ein Spaziergang tatsächlich zu Fuß unternommen wurde, raste er um das Sofa herum, rannte zu mir zurück, sprang hoch und legte mir die Vorderpfoten auf die Brust, ließ sich fallen, wirbelte herum, sprang wieder hoch und fing an, mir die Wange zu lecken.
»Übertreib’s nicht«, sagte ich und klemmte die Leine ans Halsband.
Ein feiner Dunst wehte durch die Bäume und Sträucher in Sharon Hall. Auch wenn mich die Anwesenheit eines fünfunddreißig Kilo schweren Hundes ein wenig beruhigte, packte mich doch eine gewisse Angst, während wir durch den Park liefen. Immer wieder hielt ich Ausschau nach einem Blitzlicht oder der Reflexion der Sonne in einer Kameralinse.
Vier Eichhörnchen und zwanzig Minuten später waren Boyd und ich wieder im Anbau. Ryan saß am Küchentisch, eine volle Kaffeetasse und einen noch nicht aufgeschlagenen Observer vor sich. Er lächelte, als wir eintraten, aber ich sah etwas in seinen Augen, wie ein Wolkenschatten, der über Wellen streift.
Boyd trottete zum Tisch,
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