Mit Haut und Haar: 6. Fall mit Tempe Brennan
Die Kerle kaufen sich beim Wilderer des Dorfes ein paar Papageien und bringen sie zusammen mit der nächsten Kokslieferung in die Staaten. Wenn die Vögel überleben, macht er einen schönen Profit. Wenn sie sterben, hat er gerade mal eine Woche lang kein Geld fürs Bier.«
»Was ist mit Bären?«
» Ursus americanus. Den muss man nicht schmuggeln. Schwarzbären haben wir hier bei uns in den Carolinas. Eine Hand voll junger Bären wird jedes Jahr für die Bärenhetze gefangen, das ist Bärenkampf für die Uneingeweihten. Gediegene Kurzweil für die von und zu Rednecks. Früher gab es einen Markt für lebendige Bären, aber seit die Zoobestände in die Höhe schießen, ist der ziemlich ausgetrocknet.«
»Gibt es viele Bären in North Carolina?«
»Nicht so viele, wie es sein sollten.«
»Warum nicht?«
»Lebensraumzerstörung und Wilderei.«
»Gibt es eine legale Jagdsaison für Bären?«
»Ja, Ma’am. Ist in jedem County ein bisschen unterschiedlich, aber üblicherweise im Frühherbst und Winter. Einige Countys in South Carolina unterscheiden zwischen Ansitzjagd und Jagd mit Hunden.«
»Erzählen Sie mir was über die Wilderei.«
»Mein Lieblingsthema.« Er klang verbittert. »Illegales Töten von Schwarzbären wurde durch den Lacy Act 1901 zum Vergehen und 1981 zum Verbrechen erklärt. Aber das hält die Wilderer nicht davon ab. Während der Saison nehmen die Jäger den ganzen Bären, mit Haut und Haar. Außerhalb der Saison nehmen die Wilderer nur die Teile, die sie brauchen, und lassen den Rest verrotten.«
»Wo findet die meiste Bärenwilderei statt?«
»Vor zehn, zwanzig Jahren war sie noch mehr oder weniger auf die Berge beschränkt. Heutzutage trifft es die Tiere in Küstennähe genauso hart. Aber das Problem gibt es nicht nur in Carolina. In Nordamerika leben nur noch weniger als eine halbe Million Bären. Jedes Jahr tauchen hunderte von fast intakten Kadavern auf, denen nur die Pranken und die Gallenblasen fehlen.«
»Gallenblasen?« Ich konnte mein Entsetzen kaum verbergen.
»Ein irrsinnig großer Schwarzmarkt. In der traditionellen asiatischen Medizin haben Bärengallen eine ähnliche Bedeutung wie Rhinozeroshorn, Ginseng und Moschus. Bärengalle soll gut sein gegen Fieber, Krämpfe, Schwellungen, Augenschmerzen, Herzkrankheiten, Kater, was immer Sie wollen. Und das Fleisch ist auch nicht zu verachten. In einigen asiatischen Kulturen wird Bärenprankensuppe als echte Delikatesse betrachtet. Ein Teller davon kann in gewissen Restaurants bis zu fünfzehnhundert Dollar kosten. Die steht dann natürlich nicht auf der Speisekarte.«
»Wo sind die Hauptmärkte für Bärengalle?«
»Südkorea ist die Nummer eins, weil es keine einheimische Ware gibt. Hongkong, China und Japan folgen dicht dahinter.«
Ich brauchte einen Augenblick, um das alles zu verdauen.
»Und in North Carolina ist die Bärenjagd während der Saison legal?«
»Ja, wie in vielen anderen Staaten auch. Aber der Verkauf von Körperteilen, darunter Gallenblasen, Köpfe, Felle, Klauen und Zähne, ist illegal. Vor ein paar Jahren dachte der Kongress über Gesetze nach, die dem Handel mit Bärenorganen Einhalt gebieten sollten. Kamen aber nicht durch.«
Bevor ich etwas sagen konnte, fuhr er fort.
»Nehmen Sie Virginia. Der Staat hat ungefähr viertausend Bären. Nach offiziellen Schätzungen werden pro Jahr sechs-bis neunhundert legal getötet, es gibt aber keine Zahlen über Opfer von Wilderern. Vor kurzem wurde da oben ein Ring ausgehoben, ungefähr dreihundert Gallenblasen wurden beschlagnahmt und fünfundzwanzig Leute verhaftet.«
»Wie?« Ich war so angewidert, dass ich kaum eine vernünftige Frage herausbrachte.
»Die Behörden haben von Jägern Tipps über Wilderer im Shenandoah-Nationalpark und den angrenzenden Gebieten bekommen. Daraufhin konnten Beamte den Ring infiltrieren, sich als Mittelsmänner ausgeben, Wilderer auf ihren Jagdzügen begleiten, solche Sachen. Vor ungefähr zehn Jahren konnte ich in Graham County einen ähnlichen Coup landen.«
»Doch nicht im Joyce Kilmer Memorial Forest?«
»Genau dort. Die Bäume mögen ja wunderschön sein, aber den Profit bringen die Bären.«
Die Verbindung summte, während Zamzow seine Erinnerungen durchging.
»Ein Pärchen war da oben siebzehn Jahre lang im Geschäft. Jackie Jo und Bobby Ray Jackson. Das waren vielleicht zwei Früchtchen. Haben behauptet, sie würden pro Jahr an der Ostküste dreihundert Bärengallen verkaufen. Haben behauptet, sie würden die Gallen von
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