Mit Haut und Haar: 6. Fall mit Tempe Brennan
ließ die Soße ziehen, während die Nudeln kochten.
Dreißig Minuten später heimsten Katy und Lija Komplimente für ihre Linguine Vongole ein.
Eigentlich nichts Besonderes. Ein Familienrezept.
Während des ganzen Essens hatte Palmer Cousins abwesend gewirkt und kaum etwas zum Gespräch beigetragen. Immer wenn ich mich an ihn wandte, huschte sein Blick zur Seite.
War das nur Einbildung, oder wurde ich wirklich taxiert? Als Gesprächsteilnehmerin? Als potenzielle Schwiegermutter? Als Mensch?
Bekam ich langsam Verfolgungswahn?
Als Katy uns zum Kaffee ins Wohnzimmer bat, setzte ich mich neben Cousins auf die Couch.
»Wie läuft’s beim US Fish and Wildlife Service?« Cousins und ich hatten bei dem Picknick der McCranies kurz über seine Arbeit gesprochen. Heute Abend hatte ich vor, etwas genauer nachzufragen.
»Nicht schlecht«, erwiderte Cousins. »Angeln fleißig im Sumpf des Verbrechens.«
»Wenn ich mich recht erinnere, haben Sie erzählt, dass Sie in Columbia stationiert sind?«
»Gutes Gedächtnis.« Cousins deutete mit dem Finger auf mich.
»Ist das eine große Filiale?«
»Sie besteht so ziemlich nur aus mir.« Selbstverachtendes Grinsen.
»Hat der FWS viele Außenstellen in den Carolinas?«
»Washington, Raleigh und Asheville in North Carolina, Columbia und Charleston in South Carolina. Der VAVO in Raleigh leitet das Ganze.«
»Verantwortlicher Beamter vor Ort?«
Cousins nickte.
»Raleigh ist die einzige Filiale, die mehr als einen Mitarbeiter hat. Oder Mitarbeiterin. Das Forensiklabor ist auch da oben.«
»Wusste gar nicht, dass wir eins haben.«
»Das Rollins Diagnostic Laboratory. Es gehört zum Landwirtschaftsministerium.«
»Gibt es nicht auch ein nationales Fisch-und-Wildtier-Labor?«
»Clark Bavin, drüben in Ashland, Oregon. Das ist das einzige Forensiklabor auf diesem Planeten, das sich ausschließlich mit Wildtieren beschäftigt. Sie bearbeiten Fälle aus der ganzen Welt.«
»Wie viele Beamten hat der FWS?«
»Bei Vollbesetzung zweihundertundvierzig, aber nach den ganzen Einsparungen ist die Belegschaft jetzt runter auf zweihundert und schrumpft weiter.«
»Wie lang sind Sie schon bei der Behörde?«
Ryan stapelte am Tisch hinter uns Teller aufeinander. Ich merkte, dass er zuhörte.
»Seit sechs Jahren. Nach meiner Ausbildung habe ich die ersten zwei in Tennessee verbracht.«
»Ist Ihnen Columbia lieber?«
»Es liegt näher an Charlotte.« Cousins winkte meiner Tochter kurz mit dem Finger zu.
»Hätten Sie was dagegen, kurz mal über Ihre Arbeit zu reden?«
Die perfekten Augenbrauen hoben sich unmerklich.
»Überhaupt nicht.«
»Mir ist klar, dass der illegale Handel mit Wildtieren ein gutes Geschäft ist. Aber wie gut?«
»Ich habe Schätzungen gelesen, die von zehn bis zwanzig Milliarden Dollar pro Jahr in den USA ausgehen. Das ist der dritte Platz nach dem illegalen Handel mit Drogen und Waffen.«
Ich war sprachlos.
Ryan setzte sich in einen Sessel auf der anderen Seite des Überseekoffers, der als Kaffeetisch diente.
»Gibt es einen großen Schwarzmarkt für exotische Vögel?«, fragte ich.
»Ich glaube schon. Wenn etwas selten ist, kaufen es die Leute.«
Trotz der zur Schau gestellten Nonchalance wirkte Cousins, als wäre ihm die Unterhaltung unangenehm. »Aber was mich im Moment viel mehr beschäftigt, ist Überjagung.«
»Von was?«
»Meeresschildkröten zum Beispiel. Unsere heimischen Schildkröten werden tonnenweise nach Übersee verkauft. Das andere große Problem ist der Markt für Buschfleisch.«
»Buschfleisch?«
»Riesenhutias und Antilopen aus Afrika. Eidechsen am Stiel aus Asien. Das sind Reptilien, die am Bauch aufgeschlitzt und ausgebreitet werden wie große Lutscher. Geräucherte Zwergloris, geröstete Pangolin-Schuppen.«
Offenbar interpretierte Cousins den Abscheu auf meinem Gesicht als Verwirrung.
»Den Pangolin nennt man auch den Schuppigen Ameisenfresser. Die Schuppen werden als Heilmittel gegen Syphilis verkauft.«
»Das Zeug wird für den medizinischen Gebrauch importiert?«, fragte Ryan.
»Für alles Mögliche. Nehmen Sie die Schildkröten. Die Panzer der Meeresschildkröten werden zu Schmuck verarbeitet, das Fleisch und die Eier gehen an Restaurants und Bäckereien, komplette Rückenschilde werden als Wandschmuck verwendet.«
»Was ist mit Bären?«, fragte ich.
Cousins’ Kinn hob sich um ein paar Millimeter.
»Über Bären weiß ich nicht viel.«
»In den Carolinas gibt es eine große Population, nicht?«
»Ja.«
»Ist
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