Mit Herz und Skalpell
das Wort ab. »Keine Sorge. Ich wollte nur eine Bewerberin herumführen.« Sie trat einen Schritt zur Seite, um den Blick auf Linda freizugeben. »Das ist Linda Willer.«
»Hallo«, begrüßte Linda die beiden potentiellen neuen Kollegen, die etwas verschüchtert dreinschauten.
Die Ärztin stand auf und reichte Linda die Hand. »Yvonne Hübner.« Sie lächelte Linda freundlich an. »Und das ist Andreas Finke.«
Andreas blieb an seinem Platz sitzen und nickte ihr zu. »Hi.«
»Das ist mein Teil der Station«, fuhr Alexandra nun wieder fort. »Hier liegen vor allem Tumorpatienten, meist mit gut- oder bösartigen Veränderungen an Magen, Darm oder Speiseröhre. Wir haben hier jedoch auch einige der allgemeinchirurgischen Betten.« Sie wandte sich zum Gehen, doch bevor sie das Zimmer wieder verließ, drehte sie sich noch einmal zur ihren Assistenzärzten um. »Ich komme um drei wieder. Und ich erwarte, dass dann alles erledigt ist. Verstanden?«
Yvonne und Andreas nickten. »Natürlich«, erwiderten sie synchron.
Als sie wieder auf dem Flur standen, schüttelte Alexandra den Kopf. »Immer das gleiche«, brummte sie. Dann setzte sie ihre Führung fort und zeigte Linda den Rest der Station, den riesigen Operationsbereich und die Ambulanz. Dabei betonte sie noch mehrfach, dass Linda alle Möglichkeiten offenstehen und sie eine hervorragende Ausbildung genießen würde, wenn sie hier anfinge.
Nach einer knappen halben Stunde war die Tour beendet. »Ich denke«, meinte Alexandra, »Sie haben alles Wichtige gesehen. Zumindest fast.«
Linda lächelte. »Vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Mühe. Das hat mir bei meiner Entscheidung wirklich weitergeholfen.«
Alexandra unterbrach sie: »Nicht so hastig. Etwas Entscheidendes fehlt noch.«
»Was denn?«
»Die Kantine.« Alexandra hob eine Augenbraue. »Hätten Sie Lust, mich zum Mittagessen zu begleiten? Dann könnten wir die noch offenen Fragen klären.« Es war das erste Mal, dass sie Linda etwas Ähnliches schenkte wie ein Lächeln.
Lindas Herz klopfte plötzlich schneller, ohne dass sie es sich erklären konnte. Doch sie beschloss, es zu ignorieren. »Gern«, stimmte sie zu.
Kurz darauf hatten sie jede einen Teller Chili con carne ergattert. Alexandra lief voraus, um für sie beide einen Tisch auszusuchen. Sie stellte ihr Tablett ab und zog ihren Kittel aus.
Was darunter zum Vorschein kam, nahm Linda für einen Moment den Atem. Sie hatte Mühe, ihr eigenes Tablett sicher Alexandra gegenüber zu platzieren.
Unter Alexandras eleganter, taillierter roter Bluse zeichnete sich deutlich ihr muskulöser Oberkörper ab, der genau an den richtigen Stellen wohlgeformte Rundungen aufwies. Dazu trug sie eine schwarze Hose, die sich eng an ihre langen Beine schmiegte. Es waren ganz sicher keine Klamotten von der Stange, sondern edle Designerstücke – das konnte Linda auch ohne viel modischen Sachverstand beurteilen.
Sie schluckte, setzte sich und nahm etwas Reis auf die Gabel.
»Haben Sie denn noch Fragen?«, erkundigte sich Alexandra und trank einen großen Schluck von ihrer Cola.
»Eigentlich nicht.« Das stimmte. Und mittlerweile war sich Linda sicher, dass sie die Stelle gern annehmen würde. Schon bei ihrer Famulatur hatte die Klinik sie begeistert, und es schien sich wenig verändert zu haben. Außerdem brauchte sie einfach einen Job. Ihr Vater hatte sehr deutlich gemacht, dass er den Geldhahn abdrehen würde, wenn sie nicht langsam arbeiten würde; und allzu viel hatte Linda nicht gespart. Sie hatte also im Grunde gar keine Wahl.
Alexandra aß ihr Chili gemächlich und mit Genuss, und so hatte Linda die Möglichkeit, sie genauer zu betrachten. Ihre gerade Nase passte perfekt in das etwas kantige Gesicht mit den scharfen Konturen. Die langen, dunklen Haare hatte Alexandra hochgesteckt. Die Frisur stand ihr hervorragend.
Linda räusperte sich. Solche Gedanken waren wirklich unangemessen. Es spielte überhaupt keine Rolle, wie Alexandra aussah, was ihr stand und was nicht.
»Hat Professor Rosenbusch Ihnen alles zu unserem Dienstmodell erklärt?«, nahm Alexandra nach einer Weile das Gespräch wieder auf.
»Ja, das hat er. Es klingt sehr angenehm – die Schichten scheinen mir machbar zu sein.«
Alexandra nickte. »Ja, es könnte sehr viel schlimmer sein. Wir haben –«
In diesem Moment wurde sie unterbrochen: »Alexandra.« Eine Frau, die nicht viel kleiner als Alexandra sein konnte, blieb an ihrem Tisch stehen. »Das ist aber eine
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