Mit Konfuzius zur Weltmacht
zu, als er mit feierlicher Stimme sagte: »Wir müssen töten. Es ist gut, zu töten.« Sie nannten ihn schon damals den »Großen Vorsitzenden«. Es war Mao. Als die Mutter starb, rissen sie den Säugling in Stücke und warfen ihn in einen Brunnen.
Maos Aufstieg wurde von Exzessen begleitet. Eine junge Halbchinesin aus England erlebte, wie im Zentrum Pekings 200 Menschen zur Schau gestellt und dann durch Kopfschüsse getötet wurden. Ihre Hirnmasse spritzte auf die Umstehenden. Als sich Bauernführer der Provinz Henan über das Morden beschwerten, brüllte Mao sie an: »Eine Revolution ist kein Bildermalen oder Deckchensticken. Es ist notwendig, eine Schreckensherrschaft in jedem Bezirk zu errichten.«
Noch heute werden in China 10 000 Menschen pro Jahr hingerichtet, mehr als in allen anderen Ländern der Erde zusammen. Dabei war Chinas Vordenker Konfuzius seiner Zeit weit voraus, als er schon vor 2500 Jahren die Abschaffung der Todesstrafe forderte. »Ji Kang-zi wollte von Konfuzius wissen, wie regiert werden solle. Dabei meinte er: ›Sollte man nicht um einer guten Sache willen alle jene töten, die nicht den rechten Weg gehen?‹ Konfuzius entgegnete ihm: ›Wieso müsst ihr -töten, wenn ihr regiert? Ihr selbst müsst das Gute nur wirklich wollen, dann wird auch das Volk gut werden.‹« Doch Mao regierte eben ganz anders. Während des von ihm inszenierten »Großen Sprungs nach vorn« 1958 bis 1961 verhungerten 38 Millionen Menschen – die größte Hungersnot in der Geschichte der Menschheit. Mao presste den Bauern Getreide und Fleisch ab, um damit bei der Sowjetunion und anderen sozialistischen Ländern Know-how für den Bau der Atombombe zu kaufen. »In den beiden kritischen Jahren 1958 und 1959 hätten allein die Getreideexporte, die fast genau sieben Millionen Tonnen ausmachten, genügt, um 38 Millionen Menschen täglich mit weiteren 840 Kalorien zu versorgen – dem Unterschied zwischen Leben und Tod«, schreibt Jung Chang.
Auch die DDR kam in den Genuss der Lieferungen und konnte 1958 die Lebensmittelrationierung aufheben. Chinesische Bauern ernährten sich währenddessen von Gras und Blättern. Ganze Dörfer starben aus. »Die Toten sind nützlich«, erklärte Mao am 9. Dezember 1958 vor Spitzenfunktionären der Partei. »Sie düngen den Boden.« Viele im Westen glaubten damals, China habe, anders als Indien, den Hunger besiegt. Mao persönlich versorgte Bewunderer wie den US-Journalisten Edgar Snow mit Märchen über gigantische Umwälzungen, die dieser in seinem Buch Roter Stern über China verbreitete. Revolutionsromantik mischte sich mit Fernost-Exotik – Unkenntnis mit politischem Kalkül. Der Fußballer Paul Breitner las beim Training der Nationalmannschaft demonstrativ die Mao-Bibel. Der Philosoph Jean-Paul Sartre lobte Maos »revolutionäre Gewalt« als »tief moralisch«. US-Außenminister Henry Kissinger nannte ihn einen »Mönch, der seine revolutionäre Reinheit bewahrt hat«.
Tatsächlich war Mao nur eines wichtig: seine Macht. Und die wollte er auf die ganze Welt ausdehnen. 1957, beim Gipfel der kommunistischen Parteien in Moskau, sah er seine Stunde gekommen. Stalin war seit vier Jahren tot, der neue sowjetische Parteichef Chruschtschow umstritten. Als einziger ausländischer Parteiführer wohnte Mao im Kreml, wo ein Zimmer eigens für ihn eingerichtet war, mit Holzbett und Hocktoilette. Über das weiche Federbett und die westliche Kloschüssel hatte er sich zuvor beschwert. Hier in Moskau rief er die versammelten KP-Führer dann zum Atomschlag gegen den Westen auf: »Im schlimmsten Fall stirbt die Hälfte der Weltbevölkerung. Aber der Imperialismus wäre ausgelöscht, und die ganze Welt würde sozialistisch.« Die Zuhörer schauten sich entsetzt an.
Viele Chinesen feiern den Bauernsohn im blauen Kittel weiter als Erlöser. »Der Osten ist rot, die Sonne geht auf, China hat Mao Zedong hervorgebracht.« Die Hymne der Kulturrevolution schallt über den Platz vor der Mao-Statue, während die Rentner in Shaoshan morgens um sechs ihre Holzschwerter schwingen. »Mao hat den Frühsport erfunden«, behauptet die 62-jährige Zhang Jihong. Die Alten erinnern sich, dass es unter Mao fast nichts zu essen gab. Doch das, glauben sie, »war die Schuld der örtlichen Funktionäre, Mao wusste davon nichts, er ist und bleibt der größte Führer unseres Landes«.
Wer heute durch die chinesischen Fernsehkanäle zappt, findet ein Dutzend Seifenopern, die Mao verherrlichen. Dabei wird viel
Weitere Kostenlose Bücher