Mit Konfuzius zur Weltmacht
gehörte zu den Hauptdrahtziehern der Kulturrevolution. Als der »Große Vorsitzende« beerdigt wurde, zeigte das chinesische Fernsehen immer wieder sie und ihre engsten Kampfgefährten, die in China als »Viererbande« bezeichnet werden. Viele befürchteten, sie würden nun die Macht übernehmen. Doch hinter den Kulissen tobte bereits der Kampf.
Einen Monat nach Maos Tod wurde Jiang Qing in die Huairen-Halle der Funktionärssiedlung Zhongnanhai bestellt, zu einer »Sitzung über die Veröffentlichung des fünften Bands von Maos Gesammelten Werken «. Ausgewählte Soldaten des Korps 8341 hielten sich versteckt, um sie zu verhaften. Doch sie kam nicht. Die Verschwörer wurden nervös. War sie gewarnt worden? Bereitete sie den Gegenangriff vor, etwa mit Einheiten der paramilitärischen Volksmiliz, die ihr treu ergeben waren? Die »Sitzung« war auf 20 Uhr angesetzt, um 22 Uhr war die gefürchtete Witwe noch immer nicht gekommen. Darauf stürmten die Soldaten ihr Wohnhaus. Jiang Qing lag im Bett, ergab sich sofort und sagte: »Lange schon habe ich diesen Tag vorausgesehen.« Ein Sondergericht verurteilte die Witwe zum »Tod auf Bewährung«, später nahm sie sich selbst das Leben.
Nachdem Jiang Qing und die anderen Mitglieder der »Viererbande« verhaftet waren, setzte sich der Machtkampf fort. Entsprechend Maos letztem Willen wurde Hua Guofeng sein Nachfolger, ein farbloser Funktionär, der Maos Geburtsort Shaoshan in die Wallfahrtsstätte verwandelt hat, die sie bis heute ist. Sein Programm nannte er »zwei alles« – alles, was der tote Mao entschieden hat, sei richtig gewesen, und alles, was er gesagt hat, müsse weiter »unentwegt in die Tat umgesetzt« werden. Doch die meisten in der Partei begriffen: Das Riesenreich lag am Boden und konnte so nicht aus der Krise geführt werden.
Auf öffentlichen Plätzen stellten Menschen Glasflaschen auf – ein Zeichen ihrer Sympathie für einen Mann, dessen Name auf Chinesisch ausgesprochen wird wie »kleine Flasche«, xiao ping – Deng Xiaoping. In manchen Perioden diente er Mao als treuer Erfüllungsgehilfe, begleitete ihn auf seinem Langen Marsch und verfolgte kritische Intellektuelle während der »Anti-Rechts-Kampagne« 1957. Aber in vielerlei Hinsicht war er das Gegenteil von Mao. Während der nie im Ausland gelebt hatte, ging Deng schon als 16-Jähriger nach Frankreich, wo er Blumen aus Gaze und Seide flocht und als Monteur bei Renault jobbte. In den fünf Jahren dort lernte er Rotwein, Croissants und Käse lieben und bekam auch politisch einen Blick auf die Welt außerhalb des Reichs der Mitte.
Und eben deshalb eckte er immer wieder an in der Kommunistischen Partei, in der er aufgrund seines Organisationstalents schnell aufstieg. Bereits 1935, 14 Jahre vor dem Sieg der Roten, fiel er das erste Mal in Ungnade. Seine Frau verließ ihn und heiratete einen seiner Gegner in der Partei. Er stritt sich mit Mao, als Ende der 50er-Jahre Millionen Chinesen beim »Großen Sprung nach vorn« verhungerten. Während Mao revolutionäre Visionen verkündete, wollte Deng die Wirtschaft ankurbeln. Schon damals sagte er: »Egal, ob eine Katze schwarz ist oder weiß, Hauptsache, sie fängt Mäuse.« Ins Deutsche übersetzt: Hauptsache, die Wirtschaft funktioniert. Der Pragmatiker Deng trotzte dem Ideologen Mao. Doch der rächte sich, verbannte Deng im Jahr 1966, bis dahin Vizepremier, und ließ ihn als Arbeiter in einer Traktorenfabrik arbeiten. Im selben Jahr sperrten Rotgardisten Dengs Sohn in ein radioaktiv verseuchtes Labor. Er konnte sich nur mit einem Sprung aus dem Fenster retten und ist seither querschnittgelähmt. Erst 1971 durfte der Vater ihn zu sich nehmen, pflegte ihn, wusch täglich seinen Körper.
Als Mao 1976 starb, war Deng bereits 72 Jahre alt. Er sollte China stärker verändern als Mao, doch das schien damals noch unvorstellbar, denn gerade war Deng wieder aller Funktionen enthoben worden. Während der Kulturrevolution wuchs eine ganze Generation auf mit dem Ruf: »Nieder mit Deng Xiaoping!« Aber vielleicht nutzte ihm das: Er war bekannt und galt als Kritiker der Morde und der chaotischen Auseinandersetzungen. Alle anderen wichtigen Gegenspieler Maos waren bereits tot. Auch hatte er mehr Erfahrung und Talent als die Mitglieder der amtierenden Führung. Geschickt arbeitete er an seinem Comeback. 1977 wurde er wieder als Vizepremier eingesetzt. Im Dezember 1978 holte er zum großen Schlag aus: Man müsse »das Denken befreien, den Kopf anstrengen, die Wahrheit
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