Mit Konfuzius zur Weltmacht
geschossen, schließlich befreit er das Land von den japanischen Besatzern – eine Geschichte, die man in China von klein auf hört. Allerdings: Sie ist frei erfunden.
Den Krieg gegen Japan führten die Nationalisten – die Gegner Maos, die später nach Taiwan flohen. 1937 befahl Mao seinen Soldaten, sich aus den Kämpfen gegen die japanischen Eindringlinge herauszuhalten und abzuwarten, bis diese die Nationalisten geschwächt hatten. Als sich japanische Besucher 1961 bei Mao für Kriegsverbrechen wie das Massaker von Nanjing entschuldigten, entgegnete er: »Ich würde eher den japanischen Kriegsherren danken.« So steht es in Mao Zedong über die Diplomatie , einer Sammlung von Äußerungen Maos, die 1998 in Peking erschien. Hätten die Japaner nicht große Teile Chinas besetzt, »wären wir heute noch in den Bergen«. Im chinesischen Geschichtsunterricht werden diese Sätze von Mao nicht zitiert, genauso wenig wie die von Karl Marx über die angeblich positiven Auswirkungen des britischen Opiumhandels in China: »Es hat den Anschein, als habe die Geschichte dieses ganze Volk erst trunken machen müssen, ehe sie es aus seinem ererbten Stumpfsinn aufrütteln konnte.«
Mao beging nicht nur Verrat an der Nation – er sorgte auch nicht für seine eigene Familie, ganz im Gegensatz zu den konfuzianischen Vorschriften. Auf dem Langen Marsch der Roten Armee brachte seine Frau He Zizhen 1935 in einer Strohhütte ein Mädchen zur Welt. Die Rotarmisten vertrauten das Kind einer alten Bäuerin an, die sie mit Silberdollar und Opium bezahlten. Maos Frau protestierte, denn die Greisin konnte keine Milch geben, nach drei Monaten starb der Säugling. Mao zuckte mit den Schultern: »Das war richtig, wir mussten das tun.« Seine Frau weinte, er hatte schon einige ihrer vorherigen Kinder zurückgelassen, sie waren verschollen. Als sich andere Kämpferinnen empörten, spottete Mao: »Was habt ihr Frauen so Angst vor der Geburt? Schaut euch meine Frau an, ihr geht eine Geburt so leicht von der Hand wie einer Henne das Eierlegen.« Später löste er die Ehe mit He Zizhen per Brief auf: »Ab jetzt sind wir nur noch Genossen.« He Zizhen war Maos dritte Ehefrau. Vorher war er mit Yang Kaihui verheiratet, die Maos Gegner in Changsha zum Tode verurteilten. Mao selbst lag mit seinen Truppen vor der Stadt, aber er rettete seine Frau nicht, denn er war bereits mit seiner neuen Partnerin zusammen.
Während seiner vier Ehen nahm sich Mao jede andere Frau, die er wollte. Er trieb es mit Bordbegleiterinnen in seinem Zug und mit Schauspielerinnen, mit Beamtinnen der Staatskanzlei und mit Dolmetscherinnen. 1966, im Land tobte der Terror der Kulturrevolution, vergnügte er sich im abgeschirmten Regierungssitz Zhongnanhai mit zwei Dutzend blutjungen Mädchen. Sie tanzten zur Melodie von »Der freudesuchende Drache flirtet mit dem Phönix«, einem Lied, das zu dieser Zeit in China als pornografisch verboten war. Dann wählte Mao die fünf hübschesten aus und zog sich mit ihnen zurück – er liebte Sex mit mehreren Frauen. Die Mädchen empfanden es als Ehre, sich dem »Großen Vorsitzenden« hinzugeben.
Überall im Land ließ er sich monströse Gebäude errichten. In Shaoshan wurde unter dem Decknamen »Projekt 203« ein gigantischer Wohnkomplex aus Stahl und Beton gebaut, mit eigener Bahnlinie sowie erdbeben- und atombombensicherem Bunker. Ein kompletter Gebirgszug wurde dafür abgeriegelt, die Bauern mussten das Gebiet verlassen. Ganze elf Tage wohnte Mao dort. Er lebte wie ein Kaiser und regierte wie ein Despot. »Mao war verantwortlich für 70 Millionen Tote in Friedenszeiten«, fasst Jung Chang das Ergebnis ihrer Recherchen zusammen. »Kein anderer politischer Führer des 20. Jahrhunderts reicht hier an ihn heran.«
Trotzdem genießt Mao in China weiter großes Ansehen – selbst unter den neuen Kapitalisten. »Er ist ein Vorbild für uns Unternehmer«, sagt Edward Zeng, Gründer und Chef von Sparkice, einem der größten Internetunternehmen in China. »Mao war ein Mann mit Visionen.« Der Kommunist wollte einst das Geld abschaffen. Heute prangt sein Porträt auf jedem Schein.
Der neue Kurs der Kommunisten:
Harmonie statt Klassenkampf
»Deine Schülerin und Waffenkameradin«, stand auf dem Kranz, den Jiang Qing vor dem Leichnam ihres Mannes niederlegen ließ. Die mittelmäßige Schauspielerin war Maos vierte Frau. Sie inszenierte die acht revolutionären »Modellopern«, welche zwangsweise die traditionelle Pekingoper ersetzten, und
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