Mit Kurs auf Thule
Eyjolfsson und die beiden Björns gewohnt, Besitztransaktionen, Rechtsstreitigkeiten, Eheverträge und andere Dinge untereinander auszuhandeln. 16 Alle drei Männer waren 1391 gesund und munter und nahmen sicher an der Hochzeit von Thorsteins Enkelin Kristín, der einzigen Frucht aus der Verbindung zwischen Thorsteins Tochter Solveig und Björn Einarsson »Jerusalemfahrer«, teil. Die Gespräche auf dem Fest drehten sich unweigerlich vor allem um Themen, die für Männer wie Frauen jener Schicht der isländischen Gesellschaft von Interesse waren: Besitztransaktionen, Rechtsstreitigkeiten, Eheverträge. Bei dieser Hochzeit spielten jedoch nicht nur finanzielle Übereinkünfte eine wesentliche Rolle. Thorstein Eyjolfssons Enkel wurden langsam erwachsen, und Björn Brynjolfssons älteste Tochter Sigrid, die um 1380 zur Welt gekommen war, kam ins heiratsfähige Alter.
Wie Thorstein Eyjolfsson und seine Verwandtschaft tauchen auch Björn Brynjolfsson von Groß-Akrar und seine Großfamilie in mittelalterlichen isländischen Dokumenten immer wieder auf. Sie fungierten unter anderem als Finanzverwalter religiöser Institutionen, nahmen an zahlreichen schriftlich festgehaltenen Eigentumstransaktionen teil, und wegen ihres Reichtums und der damit zusammenhängenden Macht traten sie als Laienrichter oder Zeugen in Besitzstreitigkeiten auf, an denen oft auch Freunde oder Verwandte beteiligt waren. Nicht nur Björn und sein Bruder Benedikt, sondern auch ihr Vater Brynjolf trugen den Beinamen
hinn ríki
– und das schon viele Jahre, bevor das große |157| Sterben durch den Schwarzen Tod dazu führte, dass viele Höfe in die Hände einiger weniger Menschen kamen.
Das Eigentumsinventar für die Kirche von Süd-Akrar zeigt, dass Björn dieser Kirche 1392 großzügige Schenkungen machte und dass die Ländereien von Akrar, Grof, Gegnishól, Vellir, Mitt-Grund und Süd-Grund damals zu seinen vielen Höfen gehörten. Björn, der nach dem Tod des Vaters für die Bedingungen der Eheschließung seiner Schwester Jorunn verantwortlich war, kümmerte sich mit der nötigen Sorgfalt darum und ließ diese komplizierte Transaktion dann schließlich schriftlich festhalten und durch Zeugen bestätigen. Seine umsichtige Art wird auch in einem Dokument deutlich, das er gegen Ende des Jahres 1392 aufsetzte und in dem er seinen Kindern Olaf, Sigrid und Málfrid ganz formell gleiche Erbteile zukommen ließ, allerdings mit einer umfangreichen Klausel, die zeigt, dass er sich intensiv mit den Vorbereitungen für eine Verheiratung seiner ältesten Tochter Sigrid beschäftigte. 17 Ihre Ehe steht im Mittelpunkt unserer Geschichte hier, denn sie brachte Sigrid nach Hvalsey in Grönland, wo sie noch 1406 lebte, als Thorstein Eyjolfssons Enkel Thorstein mit seinen Freunden dorthin »abgetrieben« wurde (vgl. Kapitel Sieben).
Die letzte dokumentier te Abreise aus Grönland 1410
In weiser Voraussicht ließ sich der des Lesens und Schreibens kundige Thorstein 1409 von Eindride Andreasson, dem
officialis
in Gardar, und von dem Priester
síra
Páll Hallvardsson eine eidesstattliche Erklärung über die Hochzeit ausstellen, bevor er und Sigrid gemeinsam mit ihren Gefährten und einer Ladung, die für den Handel mit Norwegen bestimmt war, Grönland ein Jahr später verließen.
Síra
Eindride und
síra
Páll bezeugten, dass dem Gesetz entsprechend drei Aufgebote veröffentlicht worden waren, bevor die Hochzeit stattfand, und fügten noch hinzu, dass viele Menschen der Eheschließung an einem ganz normalen Sonntag beigewohnt hätten – noch ein Zeichen dafür, dass das Leben in der Gemeinschaft seinen gewohnten Gang ging. 28 Weder die Briefe der beiden Kleriker noch zwei spätere isländische Bestätigungen, datiert auf die Jahre 1414 und 1424, erwähnen irgendwelche finanziellen Übereinkünfte, die vor dem Kirchensegen verabredet wurden. In deutlichem Kontrast zu den ausführlich dokumentierten Eigentumstransaktionen, an denen die Nachfahren von Sigrid und Thorstein beteiligt waren, schweigen alle Schriftquellen über die im Jahr 1408 in Hvalsey abgeschlossenen Verträge. Allerdings wussten die Frischvermählten sehr genau, dass eine vor vertrauenswürdigen Grönländern und Isländern als Zeugen gesprochene Abmachung ausreichend Gewicht in beiden Ländern hatte, vor allem, wenn einer der Zeugen ein männlicher Verwandter der Braut war. Alle drei eidesstattlichen Erklärungen sollten offenbar sicherstellen, dass alle Eigentumstransaktionen, die mit der
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