Mit Kurs auf Thule
Häuptlingsrolle, abgepolstert durch Sigrids Reichtum und sein engmaschiges Netzwerk mächtiger Freunde und Verwandter, bis er 1431 aus den Quellen verschwand. Damals war er der Gesetzessprecher für Süd- und Ostisland und unterzeichnete in dieser Eigenschaft eine Resolution des Althing, adressiert an König Erich, die er wahrscheinlich als Wortführer veranlasst hatte. Die Verlautbarung gab dem Gefühl der isländischen Häuptlinge Ausdruck, von den Engländern, mit denen sie Freundschaft geschlossen hatten, und von König Erich, dem sie Gefolgschaft geschworen hatten, betrogen worden zu sein. Die Unterzeichner der Petition stammten praktisch alle aus Thorsteins Gerichtsbezirk. Mit ihrer Unterschrift waren sie im Grunde zu Aufrührern gegen den König geworden. 34
Die Ereignisse, die entscheidend zu dieser Entwicklung beigetragen hatten, waren ebenso eng mit Thorsteins und Sigrids Kreis mächtiger Isländer verbunden wie die folgenden Ereignisse. Die Anwesenheit von Engländern in Island steht dabei im Mittelpunkt.
Thorstein Olafssons Kreis und die Engländer
Snorri hielt sich wahrscheinlich noch im Süden Islands auf, als die eidesstattliche Erklärung von 1414, die die Rechtmäßigkeit der Ehe von Thorstein und Sigrid in Hvalsey bestätigte, auf Groß-Akrar unterzeichnet wurde, denn sein Name fehlt unter den Unterschriften seiner Freunde Thord Jörundsson, Thorbjörn Bárdsson, Jón Jonsson und Brand Halldorsson.
Wie sein guter Freund Thorstein Olafsson war auch Brand in das Machtzentrum in Nordisland hineingeboren worden und konnte als sein eigener Schreiber handeln. Er war außerdem reich und wurde durch seine Hochzeit mit einer Tochter des Gesetzessprechers Hrafn Gudmundsson noch reicher und mächtiger. Durch Brand ebenso wie durch Snorri, Thorstein und seine anderen Freunde hatten die Engländer von Anfang an Kontakt mit den Grönlandfahrern von 1406. Später machte Brand eine unangenehme Erfahrung mit einigen Engländern, doch als er 1414 die eidesstattliche Erklärung im Haus von Thorstein und Sigrid unterzeichnete, war das Verhältnis zwischen Einheimischen und Engländern in Island noch vergleichsweise ungetrübt. 10
Björn Einarsson »Jerusalemfahrer«, der seit 1411 zurück in Nordisland war, stellte schnell fest, dass er direkt mit der schnell wachsenden Zahl von englischen |172| Fischern und Fischaufkäufern verhandeln musste, die in sein Land strömten. Er wurde 1414 ins Machtzentrum gestoßen, als Thorsteins Bruder Arni – der neu ernannte
hir ∂ stjóri
(königliche Statthalter) von ganz Island – ihn für ein Jahr zu seinem Ombudsmann wählte. Arni selbst kam 1415 nach Island und ersetzte Vigfús Ivarsson, den Statthalter, der dem englischen Fischkaufmann Richard 1413 erlaubt hatte, zu bleiben und Handel zu treiben. Vigfús nutzte seine guten Beziehungen zu den Engländern und ging mit Frau, Mutter und acht Kindern an Bord eines der englischen Schiffe, die Island 1415 besuchten. Im Gepäck hatte er Waren, die offenbar den englischen Geschmack treffen sollten: Kabeljau und »viel gebranntes Silber«. Im Oktober desselben Jahres noch verkündeten Prior und Kapitel der Kathedrale von Canterbury, dass sie ihn und seine ganze Familie unter ihren Schutz gestellt hätten, denn Vigfús hätte ihnen versichert, dass er mit Thomas Becket verwandt sei. 11
Arni, der das Amt des Statthalters mit dem des Bischofs von Skálholt verband, war jetzt der mächtigste Mann Islands. Die
Neuen Annalen
berichten, wie schon gesehen, nur das Nötigste über Thorstein Olafssons Reise von Norwegen nach Grönland und zurück – ebenso zurückhaltend sind sie in Bezug auf das Geschäft des königlichen Statthalters, während Arni dieses Amt innehatte, und bei allem, was Arni und sein Nachfolger im Bischofsamt von Skálholt mit den Engländern vor 1430 zu schaffen hatten. 12 Dennoch wissen wir, dass Arni den englischen Kaufleuten und Fischern gewogen war und dass König Erich diese Einstellung nicht teilte. In seinen Augen wollten sich die Engländer über sein königliches Monopol ebenso hinwegsetzen wie über die Privilegien der Hanse in Bergen.
In dem Jahr, in dem Arni nach Island zurückkehrte, schickte Erich seinen wichtigsten Amtsträger in Bergen und den Bischof von Oslo mit einem Brief an seinen Schwager, Henry V., nach England. Henry war damals gerade in Azincourt beschäftigt, deshalb antwortete der Herzog von Bedford an seiner statt auf Erichs Klage wegen des Schadens, den englische Fischer in Island »und
Weitere Kostenlose Bücher