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Mit Kurs auf Thule

Mit Kurs auf Thule

Titel: Mit Kurs auf Thule Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten A. Seaver
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und die, davon war Egede überzeugt, die Überreste der Westsiedlung sein mussten. Sie war ganz offensichtlich verlassen, doch Egedes Meinung nach mussten wohl wenigstens einige der Bewohner Ehen mit den »wilden Menschen« geschlossen haben. Weder Egede noch irgendjemand anders hatte damals eine Vorstellung von den immensen Entfernungen und anderen Hindernissen, die mit einer Querung Grönlands bis zur Ostküste verbunden waren, an der Egedes Überzeugung nach die Hauptsiedlung zu finden war. Er hoffte auf seiner Reise nach Süden eine mögliche Route über Land zu finden und inzwischen mehr über die Nordmänner in der »Westsiedlung« zu erfahren. Auf seiner Fahrt in den Südwesten faszinierten ihn die Überreste von nordischen Hofstellen, und besonders interessiert zeigte er sich an den Mauern der Kirche von Hvalsey, die, wie seine Inuit-Führer ihm sagten, die Nordmänner selbst zerstört hätten, bevor sie gingen. Wie viele andere nach ihm grub er im Boden der Kirche in der Hoffnung, interessante Gegenstände zu finden, doch damit brachte er nur die mittelalterlichen Schichten durcheinander.
    Er sollte nie erfahren, dass er auf das Herzstück der Ostsiedlung gestoßen war, nach der so viele Entdecker vergeblich gesucht hatten. In Nuuk setzte er seine Versuche fort, die »wilden Menschen« zum Christentum zu bekehren, womit er fast sofort nach seiner Ankunft im Jahr 1721 begonnen hatte. Damit wurde er als der Apostel Grönlands bekannt. Sein Name steht am Beginn einer zweiten europäischen Besiedlung Grönlands.

Die letzte Suche
    Auf königlichen Befehl hin wurden 1786 zwei Schiffe unter dem Kommando von Kapitän Løvenørn von der dänischen Marine nach Ostgrönland geschickt, um nach der Ostsiedlung, verlassen oder bewohnt, zu suchen. Die Expedition sah – auch bei einem zweiten Versuch im folgenden Jahr – keine Möglichkeit, hinter der furchteinflößenden Eisbarriere an Land zu kommen. Die Ergebnisse waren so enttäuschend, dass die Expeditionen für mehrere Jahrzehnte eingestellt wurden, bis William Scoresby 1822 bewies, dass es durchaus möglich war, durch den Eisgürtel zu lavieren und die Küste bei 70°31’ nördlicher Breite zu erreichen.
    |238| Nach Scoresbys Erfolg befürchtete man in Dänemark, dass er womöglich einen großen Teil Grönlands für England beanspruchen würde, und eine speziell dafür eingesetzte dänische Kommission beschloss, dass eine neue Expedition mit Hilfe von
umiaks
( »Frauenbooten«) von Kap Farvel zum Scoresby Sound durch den Eisgürtel manövrieren und, falls möglich, eine frühere nordische Besiedlung nachweisen sollte. W. A. Graah, ein Kapitänleutnant der dänischen Marine, wurde mit dem Unternehmen beauftragt und verließ Kopenhagen im Jahr 1828. Nach einer Überwinterung in Nanortalik ganz im Süden Grönlands verbrachte er zwei kraftzehrende Jahre damit, einen breiten Streifen der Ostküste zu durchkämmen, ohne irgendeinen Hinweis auf einen nordischen Hof oder Überreste davon zu finden. Bei einem Aufenthalt im Südwesten, wo Graah und seine Männer die unvermeidlichen Schaufeln zum Einsatz brachten, schachteten sie den Boden der Kirche von Hvalsey bis zu einem Meter tief aus, ohne außer deutlichen Anzeichen von Egedes Grabungen viel zu finden. Die Kirche überzeugte Graah dennoch davon, dass man hier und nicht an der Ostküste nach der altnordischen Siedlung suchen müsse. 27
    Endgültig ad acta gelegt wurde die Vorstellung einer Ostsiedlung an der Ostküste schließlich durch die Expedition der beiden dänischen Marineoffiziere Gustav Holm und V. Garde nach Südostgrönland in den Jahren 1883 bis 1885. Sie fuhren mit
umiaks
innerhalb des Eisgürtels nach Norden bis nach Ammassalik und fanden nirgends Zeichen einer nordischen Besiedlung. 28
     
    Jeder einzelne Bericht dieser Forschungsreisenden ist ein Zeugnis menschlichen Wagemuts im Angesicht der arktischen Lebensbedingungen, fast ohne Schutz gegen die extreme Kälte und ohne ausreichende Versorgung. Scoresby, der alle seine Reisen in die Arktis mit dem Schiff unternahm, hatte einige Ratschläge für jene parat, die weiter in die Polarregionen vordringen wollten. Sie sollten auf dem Landweg reisen, und
     
    die wichtigsten Dinge, die der erfahrene Reisende für seinen Lebensunterhalt dabei haben sollte, sind Tee, Haferflocken, Speck, Brot … aber keine alkoholischen Getränke; und wann immer er es als notwendig erachtet, künstliche Anreize einzusetzen, um den Blutkreislauf zu beschleunigen und die

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