Mit Leerer Bluse Spricht Man Nicht
ein Sprichwort über Hamster loszuwerden? Natürlich. Es lautet: »Dem fleißigen Hamster schadet der Winter nicht.«
Stimmt. Spontan fielen mir mehrere ungeschriebene Briefe ein, in welche ich diesen klugen Spruch durchaus einweben konnte. Aber von welchem klugen Menschen stammte dieser Satz? Der detailverliebte Quellennachweis folgte auf dem Fuße: »Wahrscheinlich deutsches Sprichwort.«
Toll.
Lies einfach weiter, befahl mir eine innere Stimme. Und tatsächlich, allein vierzehn Sprichwörter zum Schlagwort »Hase«, darunter mein absoluter Liebling, ein mongolisches Sprichwort, das mich wissen ließ: »Den toten Löwen kann jeder Hase an der Mähne zupfen!«
Sehr schön.
Ich ließ mich einfach treiben, blätterte weiter und versank schließlich in den unendlichen Möglichkeiten und überraschenden Wendungen, die mein Lieblingsbuch für mich seitdem bereithält. Zwischendurch wird es ganz schön verrückt. So beinhaltet es beispielsweise einen Ausspruch von Sting, auf den man gewiss öfter in Reden, vielleicht auch gegenüber seinem Brötchengeber, zurückgreifen sollte. Er lautet: »Kokain ist die Art und Weise Gottes, dir mitzuteilen, dass du zu viel Geld hast.«
Und unter welchem Schlagwort finden wir dieses Bassisten-Bonmot? Unter »Kokain«? Falsch! Vielleicht unter »Art und Weise«? Auch falsch! Dann unter »Gott« oder unter »Geld«? Ebenfalls falsch! Es steht unter dem Schlagwort »Du«. Und mehr noch: Das Sprichwort »Der Kranke spart nichts als seine Schuhe« taucht nicht nur einmal in meinem Lieblingsbuch auf, o nein, es wird ganze siebenmal aufgeführt. Was auch erklärt, warum es insgesamt so viele Sprichwörter und Zitate mit dem Buchstaben A beinhaltet. A wie »als«, was sonst?
Am allerbesten an meinem Lieblingsbuch gefällt mir bisher, dass es völlig wertfrei mischt und gern auch mal das Gegenteil behauptet. Ich möchte nur ganz schnell ein paar Worte über das »Glück« zitieren:
»Der hat gut tanzen, dem das Glück aufspielt.«
Deutsches Sprichwort (auch unter »gut« und »der« zu finden)
»Glück ist für mich Frieden. Innerer Frieden und der Friede nach außen.«
Hannelore Kohl (Ruhe in Glück)
Zu dem Thema Glück kommt in meinem Lieblingsbuch tatsächlich fast jeder zu Wort. Mein Favorit in dieser Kategorie: »Wer sagt, dass man Glück nicht kaufen kann, hat keine Ahnung von Shopping.« (David Lee Roth)
Aber das Schönste, was mein Lieblingsbuch für mich getan hat, ist, seine letzten beiden Seiten freizuhalten. Dort steht am oberen Rand: »Raum für eigene Notizen«.Dort habe ich bisher eingetragen: »Was den Menschen wirklich beschäftigt, das möget ihr an seiner Klolektüre erkennen.« Natürlich wird es in der zweiten Ausgabe, die mein Lieblingsbuch und ich zusammen planen, unter dem Stichwort »Möget« stehen, wo denn sonst?
Mutter Erde weint
Mutter Erde weint, und keiner hört es. Anscheinend sieht es auch keiner, obwohl Mutter Erde ganz eindeutig ihre Strumpfhose aufgeribbelt hat, und das Knie blutet bestimmt, Mutter Erde kann das spüren, trotz der eisigen Kälte. Und endlich handelt jemand. Eine gottgleiche Stimme bellt durch ein Megafon: »Es kann doch nicht so schwer sein, in seiner Umlaufbahn zu bleiben. Alle noch mal auf Anfang!« Aber Mutter Erde kann nicht mehr. Sie bleibt auf dem Rasen liegen und wartet.
»Nun komm schon, Katinka, wir helfen dir hoch. Gleich sieht man eh nichts mehr, dann ist Drehschluss!«
Mühsam hilft man mir von zwei Seiten hoch. Dass man gleich nichts mehr sieht, ist für mich unerheblich, weil ich schon seit zwei Stunden nichts mehr sehe. Obwohl ich doch, »verdammt noch mal, was sehen müsste«, so zumindest bellt der Regisseur, schließlich hätte ich ja Gucklöcher.
Stimmt schon, ich habe Gucklöcher, leider liegen die in Kuala Lumpur, und das ist hinten, weil sich mein Kugelkopf immer dreht, sobald ich um meine Umlaufbahn kreise.
»Das ist ja auch richtig so!«, sagt die Frau von der Aufnahmeleitung.
Dass das wirklich richtig so ist, haben wir alle erst in der letzten Drehpause gelernt. Da hat die gesamte Crew extra im Internet nachgesehen, ob die Erde sich um sich selbst dreht, während sie um die Sonne kreist. Tut sie, also dreht sich auch mein Kopf, während ich heute zum zwölften Mal im Rheinenergie-Stadion bei Flutlicht um den Mittelkreis hotte, in dessen Zentrum wiederum eine genervte Teenagersonne steht, die auch nach Hause will. Die Sonne ist schon den ganzen Tag am Keifen, weil sie ein ehemaliger
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