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Mit Leerer Bluse Spricht Man Nicht

Mit Leerer Bluse Spricht Man Nicht

Titel: Mit Leerer Bluse Spricht Man Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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an, immer begleitet von den denkwürdigen Worten: »Katinka, isst du den Salat vielleicht noch, sonst schmeiß ich den jetzt endgültig weg.«
    Im Nachhinein gefällt mir besonders das Wort »endgültig« an diesem Satz, damals eher nicht. Man bekommt so eine gruselige Vorstellung von einem unschuldig verurteilten gemischten Salat, der monatelang in der Todeszelle von Tante Annelieses Kühlschrank herumgammeln muss, bis eines Tages ein heller Lichtstrahl in das Gemüsefach fällt. Und während der Salat ein letztes Mal Hoffnung schöpft, war es das dann. Katinka hat die letzte Gelegenheit nicht genutzt, das Urteil ist endgültig besiegelt, der Salat kommt weg, ab in die Tonne. Ich höre im Geiste die Joghurtbecher und Camemberts von den Rängen rufen: »Dead Salad walking, Dead Salad walking   …« Aber das ist eine ganz andere Geschichte.
    »Soll ich es Ihnen vielleicht lieber einpacken?«, unterbrach mich die Verkäuferin in meinen Gedanken. Sie hatte mich schon eine Weile misstrauisch beobachtet, wie ich mit Tränen in den Augen zärtlich über den »Letzte-Gelegenheit«-Aufkleber strich. Dann überschlugen sich die Ereignisse.
    »Äh, nein danke, es geht so«, antwortete ich mit fester Stimme.
    So hatte also das Schicksal unseren gemeinsamen Weg besiegelt. Ich hatte mit einem Buch geflirtet, ausMitleid, und jetzt hatte ich es einfach gekauft. Wie sollte es weitergehen mit uns?
    »Tütchen vielleicht?«, bohrte die unterbeschäftigte studentische Hilfskraft nun nach.
    Aber die junge Liebe zeigt sich immer dann am leidenschaftlichsten, wenn die Umstände und Mitbürger gegen sie sind. Erhobenen Hauptes ließ ich die sogenannte Buchhändlerin wissen: »Nein, ich brauche bestimmt kein Tütchen, meine Liebe! Denn ich gedenke, dieses Buch zu lesen, o ja, vor Ihnen und vor der ganzen Welt, auch vor Gott, wenn es sein muss   …«
    »Schöne Fahrt dann auch«, erwiderte die arrogante Tiftel und nahm sich des nächsten Kunden an.
    Ich ging nach Hause, mein neues Lieblingsbuch dabei fest umschlungen, denn längst hatte ich vergessen, was für ein Anliegen mich in den Bahnhof geführt hatte.
    Daheim angekommen, knibbelte ich unter Wasserdampf zunächst den schrecklichen Aufkleber von meinem Lieblingsbuch ab. Zum ersten Mal sah ich nun auf seinen blanken Titel, und, bei Gott, er war wunderschön, erhaben und imposant zugleich: »Lexikon der schönsten Sprichwörter und Zitate   – Superpreisleistung«.
    Endlich, der Hauptgewinn!
    Ansonsten gab sich mein Lieblingsbuch sowohl bescheiden als auch geheimnisvoll. Weder seinen Verfasser noch seinen Herausgeber gab es gleich auf seinem Umschlag preis. Das gefiel mir. Das gefiel mir sehr. Mein neues Lieblingsbuch stand also auf Spielchen. Und ich spielte mit. Ganz langsam wollte ich ihm seine intimsten Geständnisse entlocken.
    Ich ging behutsam vor. Bevor ich grob seine unzähligen Seiten aufschlug, las ich mir die Umschlagrückseite durch. Allein die ersten beiden Sätze brachten mich fast zum Weinen. Dort stand es, in schwarz auf klosteinfarben: »Es gibt viele Gelegenheiten, in denen man sich der Zitate, Bonmots und Aphorismen berühmter Dichter und Denker ebenso wie volkstümlicher Sprichwörter gern bedient. Richtig angewandt, sind sie eine Bereicherung für alle Reden und Briefe, in Diskussionen und bei persönlichen Gesprächen.«
    Ich schluchzte. Vor Freude. Mein Leben würde sich ab nun von Grund auf ändern. Denn wie viele Reden, Briefe, Diskussionen und vor allem persönliche Gespräche hatte ich in meinem kurzen Dasein schon völlig versaut, weil ich ein Sprichwort falsch angewandt hatte. Ab jetzt würde alles anders werden. In heißer Erwartung schlug ich nun mein Buch auf und – erlebte die erste große Enttäuschung. Mein Buch war nicht nach Gelegenheiten und Anwendungsgebieten, nach Briefen oder persönlichen Gesprächen geordnet, sondern schnöde alphabetisch.
    »So ist es sehr übersichtlich«, wollte mich das sachlich gehaltene Vorwort trösten, aber ich schlug mein Lieblingsbuch enttäuscht zu. Alphabetisch! Wenn ich mein Leben alphabetisch geordnet hätte, wäre ich heute immer noch bei Aalsuppe!
    In meiner ganzen Wut und meiner Traurigkeit gab mir das Schicksal jedoch einen Wink. Von mir brutal zugeklappt und zurückgewiesen, stürzte sich mein Lieblingsbuch in selbstmörderischer Absicht von der Tischkante.Mit aufgeschlagenem Bauch landete es bei dem Buchstaben H.
    H wie Hamster.
    Neugierig hob ich das Buch auf: Gab es tatsächlich eine Gelegenheit, um

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