Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit offenen Karten

Mit offenen Karten

Titel: Mit offenen Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
– ja, ein Feigling. Es hat keinen Sinn, Vogel Strauß zu spielen und den Kopf in den Sand zu stecken. Es ist ein Mord geschehen, und du bist eine der Verdächtigen – die am wenigsten glaubhafte vielleicht…»
    «Das wäre das Schlimmste», sagte Anne mit einem Anflug von Humor. «Es ist immer die unwahrscheinlichste Person, die es getan hat.»
    «Aber du bist eine davon», fuhr Rhoda fort, ohne den Einwurf zu beachten, «und es hat daher gar keinen Sinn, die Nase in die Luft zu strecken und so zu tun, als wäre Mord ein übler Geruch, der nichts mit dir zu tun hat.»
    «Er hat nichts mit mir zu tun», beharrte Anne. «Ich bin gern bereit, alle Fragen zu beantworten, die die Polizei mir stellt, aber dieser Mann, dieser Hercule Poirot, ist ein Outsider.»
    «Und was soll er denken, wenn du dich versteckst und versuchst, dich zu drücken? Er wird glauben, dass du vor Schuldbewusstsein birst.»
    «Ich berste sicher nicht vor Schuldbewusstsein», wehrte Anne ab.
    «Das weiß ich. Du könntest beim besten Willen keinen Mord begehen. Aber abscheuliche, misstrauische Ausländer wissen das nicht. Ich glaube, wir sollten ruhig zu ihm gehen, sonst kommt er her und wird versuchen, den Dienstboten die Würmer aus der Nase zu ziehen.»
    «Wir haben doch gar keine Dienstboten!»
    «Wir haben Mutter Astwell. Sie schwatzt mit jedem! Komm, Anne, gehen wir! Du wirst sehen, es wird ganz lustig sein.»
    «Ich weiß nicht, warum er mich sehen will.» Anne war eigensinnig.
    «Um der Polizei eins auszuwischen, natürlich», meinte Rhoda ungeduldig. «Das wollen sie immer – die Amateure, meine ich. Sie wollen beweisen, dass in Scotland Yard nur Dummheit und Drill herrschen.»
    «Glaubst du, dass dieser Poirot klug ist?»
    «Er sieht nicht aus wie ein Sherlock Holmes», sagte Rhoda. «Ich vermute, er war zu seiner Zeit ganz tüchtig. Jetzt ist er natürlich schon zu alt. Er muss mindestens sechzig sein. Oh, komm, Anne, besuchen wir den alten Jungen. Vielleicht erzählt er uns Schauergeschichten über die anderen.»
    «Na gut», seufzte Anne und fügte hinzu: «Mir scheint, du genießt all das, Rhoda.»
    «Vermutlich weil es nicht mein eigenes Begräbnis ist», gab Rhoda zu. «Zu schade, dass du nicht im richtigen Moment aufgeblickt hast. Wenn, so könntest du für den Rest deines Lebens wie eine Fürstin leben – von Erpressungen.»
    So kam es, dass um ungefähr drei Uhr nachmittags des gleichen Tages Rhoda Dawes und Anne Meredith artig im sauberen Wohnzimmer Monsieur Poirots auf ihren Stühlen saßen und aus altmodischen Gläsern Heidelbeersirup (den sie verabscheuten, aber aus Höflichkeit nicht abgelehnt hatten) nippten.
    «Es war sehr liebenswürdig von Ihnen, Mademoiselle, meiner Einladung zu folgen», sagte Poirot.
    «Ich will Ihnen gewiss in jeder Hinsicht behilflich sein», murmelte Anne ausweichend.
    «Es ist eine Sache des Gedächtnisses.»
    «Des Gedächtnisses?»
    «Ja, ich habe diese Frage bereits Mrs Lorrimer, Dr. Roberts und Major Despard gestellt. Leider konnte mir keiner die gewünschte Antwort geben.»
    Anne fuhr fort, ihn forschend anzusehen.
    «Ich möchte, dass Sie Ihre Gedanken auf jenen Abend im Salon Mr Shaitanas konzentrieren.»
    Ein müder Schatten zog über Annes Züge. Würde sie nie von diesem Albdruck befreit werden?
    Poirot bemerkte ihren Gesichtsausdruck.
    «Ich weiß, Mademoiselle, ich weiß», meinte er gutmütig.
    « C’est pénible, n’est-ce pas? Das ist sehr begreiflich. Wenn man so jung wie Sie zum ersten Mal in Kontakt mit dem Grauen gerät. Vermutlich haben Sie noch nie einen gewaltsamen Tod miterlebt oder gesehen?»
    Rhodas Augen irrten etwas unbehaglich am Boden umher.
    «Nun?», fragte Anne.
    «Lassen Sie Ihre Gedanken zurückschweifen. Ich möchte, dass Sie mir sagen, an was in jenem Zimmer Sie sich erinnern.»
    Anne sah ihn misstrauisch an.
    «Ich verstehe nicht.»
    «Aber ja. Die Stühle, die Tische, die herumstehenden Nippsachen, die Tapete, die Vorhänge, die Feuereisen. Sie haben sie alle gesehen, können Sie sie nicht beschreiben?»
    «Oh, ich verstehe», Anne zögerte stirnrunzelnd, «es ist nicht so leicht. Ich glaube, ich kann mich wirklich nicht erinnern. Ich weiß nicht, wie die Tapete aussah. Ich glaube, die Wände waren bemalt – in irgendeiner neutralen Farbe. Es lagen Teppiche auf dem Boden. Es stand ein Klavier da.» Sie schüttelte den Kopf. «Ich kann Ihnen wirklich nicht mehr sagen.»
    «Aber Sie geben sich keine Mühe, Mademoiselle. Sie müssen sich doch an

Weitere Kostenlose Bücher