Mit offenen Karten
ein, dass ich es mir nicht als Verdienst anrechnen kann, jetzt mit der Geschichte rauszurücken. Ich sage die Wahrheit, weil es in diesem Stadium das einzig Mögliche ist. Ob Sie mir nun glauben oder nicht, liegt bei Ihnen – ich habe keine Beweise, dass meine Geschichte die richtige ist.» Er hielt einen Augenblick inne und begann:
«Ich habe die Expedition für die Luxmores arrangiert. Er war ein netter alter Knabe, ganz närrisch mit Farnen und Pflanzen und solchem Zeug. Sie war – nun, Sie werden zweifellos gesehen haben, was sie ist! Die Reise war ein Albtraum. Ich habe mich den Teufel um die Frau geschert, sie war mir eher unsympathisch. Sie gehört zu der gewissen aufdringlichen, sentimentalen Sorte, bei der es mich vor Verlegenheit immer juckt. Die ersten vierzehn Tage ging alles glatt. Dann hatten wir alle einen Anfall von Fieber. Sie und ich leicht, der alte Luxmore ziemlich schwer. Eines Nachts – jetzt müssen Sie gut aufpassen – saß ich vor meinem Zelt. Plötzlich sehe ich in der Ferne Luxmore in den Busch am Fluss wanken. Er war im Fieberwahn und hatte keine Ahnung, was er tat. In spätestens einer Minute wäre er beim Fluss gewesen – und an dieser besonderen Stelle hätte es seinen Tod bedeutet. Keine Möglichkeit, ihn zu retten. Es war keine Zeit mehr, ihm nachzustürzen – es blieb nur ein Ausweg. Mein Gewehr lag wie immer neben mir. Ich packte es. Ich bin ein ziemlich guter Schütze. Ich war ganz sicher, den alten Knaben nicht zu verfehlen – ihn ins Bein zu treffen. Und dann, gerade als ich feuern wollte, warf sich dieses blöde Frauenzimmer von irgendwo auf mich und kreischte: ‹Nicht schießen, um Himmels willen, nicht schießen.› Sie packte meinen Arm, gerade als das Gewehr losging – mit dem Erfolg, dass die Kugel ihn im Rücken traf und auf der Stelle tötete!
Ich kann Ihnen sagen, das war ein ziemlich schauriger Augenblick. Und diese verdammte Närrin begriff noch immer nicht, was sie getan hatte. Anstatt zu erfassen, dass sie am Tod ihres Mannes schuld war, glaubte sie steif und fest, dass ich aus Liebe zu ihr – ich bitte Sie – kaltblütig versucht hatte, den armen Kerl zu erschießen. Wir hatten eine höllische Szene – sie bestand darauf, wir sollten sagen, er sei an Tropenfieber gestorben. Sie tat mir leid, besonders als ich sah, dass sie nicht begriff, was sie getan hatte. Aber die Augen würden ihr schon aufgehen, wenn die Wahrheit herauskam! Und ihre absolute Gewissheit, dass ich bis über beide Ohren in sie verliebt sei, jagte mir einen gelinden Schrecken ein. Das könnte eine schöne Geschichte werden, wenn sie das ausstreuen würde. Endlich gab ich nach. Teils um des lieben Friedens willen, gestehe ich. Schließlich schien es nicht viel auszumachen. Tropenfieber oder Unglücksfall. Und ich wollte die Frau nicht durch diese ganzen Abscheulichkeiten zerren – auch wenn sie eine komplette Närrin war. Die Träger kannten natürlich die Wahrheit, aber sie waren mir alle ergeben, und ich wusste, dass sie gegebenenfalls meine Aussagen beschwören würden. Wir begruben den alten Luxmore und kehrten in die Zivilisation zurück. Seitdem habe ich ein gut Teil meiner Zeit damit verbracht, dieser Frau auszuweichen.»
Er machte eine Pause und sagte dann ruhig:
«Das ist meine Geschichte, Monsieur Poirot.»
«Glauben Sie, dass Mr Shaitana an jenem Abend bei Tisch auf diesen Vorfall anspielte?»
Despard nickte.
«Er muss es von Mrs Luxmore gehört haben. Es ist nicht schwer, ihr die Geschichte zu entlocken. Das muss ihn amüsiert haben.»
«In der Hand eines Mannes wie Shaitana hätte die Geschichte für Sie gefährlich werden können.»
Despard zuckte die Achseln.
«Ich hatte keine Angst vor Shaitana.»
Poirot antwortete nicht.
Despard sagte ruhig:
«Auch dafür muss Ihnen mein Wort genügen. Es stimmt vermutlich, dass ich in gewisser Weise Grund hatte, Shaitanas Tod zu wünschen. Nun, die Wahrheit ist jetzt heraus – Sie können mir glauben oder nicht.»
Poirot streckte ihm die Hand entgegen.
«Ich glaube Ihnen, Major Despard. Ich zweifle nicht, dass die Sache in Südamerika sich genau so abgespielt hat, wie Sie sie geschildert haben.»
Despards Gesicht leuchtete auf.
«Danke», sagte er lakonisch und drückte Poirot herzlich die Hand.
22
S uperintendent Battle war auf dem Polizeirevier von Combeacre. Inspektor Harper sprach mit seiner leisen Stimme.
«So war es, Sir. Scheinbar alles in schönster Ordnung. Der Arzt war zufrieden. Alle waren zufrieden.
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