Mit offenen Karten
Mille remerciements, Mademoiselle.»
Er bot ihnen noch Sirup an, den sie ablehnten, und begleitete sie munter plaudernd zur Tür.
Als sie schließlich fortgegangen waren, kehrte er in das Zimmer zurück und ging schnurstracks zu dem vollgehäuften Tisch. Der Stoß Strümpfe lag noch in wirrem Durcheinander da. Poirot zählte die sechs ausgewählten Paare und ging sodann daran, die anderen zu zählen.
Er hatte neunzehn Paare gekauft. Jetzt waren es nur mehr achtzehn. Er nickte langsam mit dem Kopf.
24
I n London angekommen, fuhr Superintendent Battle direkt zu Poirot. Anne und Rhoda waren vor ungefähr einer Stunde fortgegangen.
Battle berichtete ohne Umschweife vom Ergebnis seiner Nachforschungen in Devonshire.
«Wir sind auf der richtigen Spur – ohne Zweifel», schloss er. «Das war es, worauf Shaitana mit seinen ‹häuslichen Unfällen› anspielte. Aber was mich beschäftigt, ist das Motiv. Warum wollte sie die Frau umbringen?»
«Ich glaube, da kann ich Ihnen helfen, mein Freund.»
«Los, Monsieur Poirot.»
«Heute Nachmittag habe ich ein kleines Experiment gemacht. Ich habe Mademoiselle und ihre Freundin bewogen herzukommen. Ich habe Miss Meredith meine übliche Frage nach den Gegenständen in Shaitanas Zimmer gestellt.»
Battle sah ihn neugierig an.
«Sie legen großen Wert auf diese Frage.»
«Ja, sie ist sehr nützlich. Die Antwort darauf sagt mir ziemlich viel. Mademoiselle Meredith war misstrauisch – äußerst misstrauisch. Diese junge Dame wittert hinter allem etwas Böses. Also vollführt dieser gelehrige Hund, Poirot, einen seiner besten Tricks. Er legt eine plumpe dilettantische Falle. Mademoiselle erwähnt eine Vitrine voll Schmuck. Ich sage: ‹War das nicht die Vitrine am entgegengesetzten Ende des Zimmers, wo der Tisch mit dem kleinen Dolch darauf stand?›
Mademoiselle geht nicht in die Falle. Sie weicht geschickt aus. Und dann ist sie mit sich zufrieden, und ihre Wachsamkeit lässt nach. Also das war der Grund meiner Einladung: sie zu bewegen zuzugeben, dass sie wusste, wo der Dolch war und dass sie ihn bemerkt hatte. Ihre Laune bessert sich, als sie glaubt, mich besiegt zu haben. Sie spricht ganz frei über den Schmuck. Sie hat viele Einzelheiten davon bemerkt. Sie erinnert sich sonst an nichts anderes im Zimmer außer an eine Vase mit Chrysanthemen, deren Wasser hätte erneuert werden müssen.»
«Nun?», sagte Battle.
«Nun, das ist sehr charakteristisch. Nehmen wir an, wir wüssten nichts von diesem Mädchen, so würden uns ihre Worte einen Anhaltspunkt für ihren Charakter geben: Blumen fallen ihr auf. Also liebt sie Blumen? Nein, denn sie übersieht eine große Schale früher Tulpen, die sofort die Aufmerksamkeit jedes Blumenliebhabers auf sich gelenkt hätten; es spricht vielmehr für die bezahlte Gesellschafterin – das Mädchen, dessen Pflicht es war, das Wasser in den Vasen zu wechseln –, und dazu haben wir hier ein Mädchen, das Schmuck liebt und bemerkt. Ist das nicht viel sagend?»
«Aha», sagte Battle. «Ich beginne zu verstehen, worauf Sie hinauswollen.»
«Richtig. Wie ich Ihnen neulich sagte: Ich lege meine Karten auf den Tisch. Als Sie damals Miss Merediths Lebensgeschichte erzählten und Mrs Oliver ihre sensationelle Eröffnung machte, fiel mir gleich ein wichtiger Punkt auf. Es konnte kein Mord aus Gewinnsucht gewesen sein, da Miss Meredith sich auch nachher noch ihr Brot verdienen musste. Ich dachte über Annes Charakter nach, wie er bei oberflächlicher Betrachtung erscheint. Ein eher schüchternes junges Mädchen, arm, aber gut angezogen, mit einer Vorliebe für schöne Sachen. Eher der Typ einer Diebin als einer Mörderin? Und ich fragte sofort, ob Mrs Eldon eine ordnungsliebende Frau war. Sie verneinte das. Ich stellte für mich eine Hypothese auf. Angenommen, Anne Meredith war ein Mädchen mit einer gewissen Charakterschwäche – ein Mädchen, das in den großen Warenhäusern Kleinigkeiten mitgehen lässt, das, arm und für Luxus schwärmend, ihrer Dienstgeberin ein- oder zweimal kleine Gegenstände entwendete. Vielleicht eine Brosche, ein Geldstück oder zwei, eine Halskette. Die unordentliche, sorglose Mrs Eldon hätte das Verschwinden dieser Dinge ihrer eigenen Unordentlichkeit zugeschrieben.
Sie hätte ihre sanfte, kleine Stütze nie verdächtigt. Aber nehmen wir eine anders geartete Arbeitgeberin – eine Arbeitgeberin, die solche Dinge bemerken und Anne des Diebstahls beschuldigen würde. Das wäre ein mögliches Motiv für Mord. Wie
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