Mit offenen Karten
irgendeinen Gegenstand erinnern, irgendein Ornament, irgendeine Nippsache.»
«Ich erinnere mich an eine Vitrine mit ägyptischem Schmuck», sagte Anne langsam, «drüben beim Fenster.»
«O ja, ganz am entgegengesetzten Ende des Zimmers, wo der Tisch mit dem kleinen Dolch darauf stand!»
Anne blickte ihn an.
«Ich habe nicht gewusst, auf welchem Tisch er lag.»
« Pas si bête » , dachte Poirot im Stillen, «aber Hercule Poirot ist auch nicht dumm! Würde sie mich besser kennen, wüsste sie, dass ich nie eine so plumpe Falle stelle.»
Laut sagte er:
«Eine Vitrine mit ägyptischem Schmuck, sagten Sie?»
«Ja, einige Stücke waren wundervoll. Blau und rot. Emaillen. Ein oder zwei wunderschöne Ringe und Gemmen, aber die mag ich weniger.»
«Mr Shaitana war ein großer Sammler», murmelte Poirot.
«Gewiss», stimmte Anne zu. «Das Zimmer war voller Antiquitäten. Man wusste nicht, wohin man zuerst schauen sollte.»
«Sodass Sie mir nichts anderes nennen können, was Ihnen aufgefallen ist?»
«Nur eine Vase mit Chrysanthemen, die dringend frisches Wasser gebraucht hätten.»
«Ach ja, die Dienstboten sind da nicht immer genügend aufmerksam!»
Poirot schwieg einige Augenblicke.
Anne sagte schüchtern:
«Ich fürchte, ich habe nicht das bemerkt – was ich bemerken sollte.»
Poirot lächelte gutmütig.
«Es macht nichts, mon enfant. Es war nur eine winzige Chance. Sagen Sie, haben Sie unseren Major Despard kürzlich gesehen?»
Er sah, wie ein zartes Rot in ihre Wangen stieg. Sie erwiderte: «Er versprach, uns sehr bald wieder zu besuchen.»
Rhoda sagte ungestüm: « Er war es jedenfalls nicht! Anne und ich sind fest davon überzeugt.»
Poirot zwinkerte ihnen zu.
«Welches Glück – zwei so reizende junge Damen von seiner Unschuld überzeugt zu haben.»
«O weh», dachte Rhoda, «jetzt wird er französisch, und das ist immer so peinlich.»
Sie stand auf und begann einige Stiche an der Wand zu betrachten.
«Das sind ausgezeichnete Stiche», bemerkte sie.
«Sie sind nicht schlecht», untertrieb Poirot.
Er zögerte und sah Anne an.
«Mademoiselle», sagte er schließlich, «dürfte ich Sie bitten, mir einen großen Gefallen zu tun – oh, es hat nichts mit dem Mord zu tun. Es ist eine völlig private und persönliche Sache.»
Anne machte ein erstauntes Gesicht. Poirot fuhr fort und markierte Verlegenheit.
«Weihnachten steht nämlich vor der Tür, und ich muss für meine Nichten und Großnichten Geschenke kaufen. Und es ist ein wenig schwer, den Geschmack der jungen Damen heutzutage zu treffen. Ich habe leider einen sehr altmodischen Geschmack!»
«Ja?», ermunterte Anne ihn freundlich.
«Zum Beispiel Seidenstrümpfe – sind Seidenstrümpfe ein willkommenes Geschenk?»
«O ja. Es macht immer Freude, Seidenstrümpfe geschenkt zu bekommen.»
«Mir fällt ein Stein vom Herzen. Ich darf Ihnen jetzt meine Bitte vortragen. Ich habe eine Reihe Strümpfe in verschiedenen Schattierungen gekauft. Ich glaube, es sind fünfzehn oder sechzehn Paar. Wären Sie so gut, sie durchzuschauen und sechs Paar beiseitezulegen, die Ihnen am besten gefallen?»
«Natürlich», erklärte Anne und stand lachend auf.
Poirot führte sie zu einem Tisch in einem Erker – einem Tisch, dessen Durcheinander, hätte sie es nur gewusst, in sonderbarem Kontrast zu Hercule Poirots wohl bekannter Genauigkeit und Ordnungsliebe stand. Strümpfe lagen in ungeordneten Haufen darauf – pelzgefütterte Handschuhe, Kalender und Bonbonieren.
«Ich schicke meine Pakete immer sehr à l’avance » , erklärte Poirot. «Sehen Sie, Mademoiselle, hier sind die Strümpfe. Suchen Sie mir bitte sechs Paar aus.»
Er wandte sich um und nahm Rhoda beim Arm, die ihm gefolgt war.
«Und Ihnen möchte ich etwas ganz Besonderes zeigen.»
«Was denn?», rief Rhoda.
Er senkte seine Stimme.
«Ein Messer, Mademoiselle, mit dem einmal zwölf Leute einen Mann erstachen. Es wurde mir als Andenken von der Schlafwagengesellschaft überlassen.»
«Abscheulich», rief Anne.
«Ooh! Lassen Sie mich sehen», sagte Rhoda.
Poirot führte sie plaudernd ins andere Zimmer.
«Es wurde mir von der Schlafwagengesellschaft überlassen, weil…»
Sie gingen aus dem Zimmer und kehrten nach drei Minuten wieder zurück.
Anne kam ihnen entgegen.
«Ich glaube, diese sechs sind die schönsten, Monsieur Poirot. Diese beiden Farben sind sehr gut für den Abend, und diese lichtere Nuance ist sehr schön, wenn der Sommer kommt und abends noch Tageslicht ist.»
«
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