Mit Schimpf und Schande
zu und trat aus dem Shuttle in den warmen, stillen Morgen. Andrew LaFollet, James Candless und Tomas Ramirez folgten ihr; von den dreien abgesehen war sie allein. Langsam schritt sie zu dem wartenden Bodenwagen hinüber.
Es war seltsam. Nichts erschien ihr wirklich real, nichts nahm auf sie Einfluß, und trotzdem war alles ringsum außergewöhnlich klar und scharf. Sie bewegte sich durch die Stille, getrennt davon und trotzdem darin vertieft. Mit ruhigem Gesicht stieg sie ein, als LaFollet ihr die Tür des Bodenwagens aufhielt.
Leicht gefallen war es ihr nicht, die abgeklärte, konzentrierte Entschlossenheit zurückzugewinnen; sie hatte hart darum kämpfen müssen. Die Konfrontation mit Admiral White Haven hatte sie mehr erschüttert, als sogar sie selbst sich eingestehen wollte. Sein wildes Beharren hatte sie gelähmt, und es war nicht besser geworden. Sie konnte ihm seinen Wunsch einfach nicht erfüllen, und über dieses Unvermögen war er erzürnt. Sie hatte versucht, ihm ihre Lage zu erklären, aber er wiederholte nur seinen Befehl und trennte die Verbindung, überließ sie dem nackten Bildschirm, den sie anstarren konnte. Die Grausamkeit seiner Wut, ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt, hatte tief in ihre Seele geschnitten. Sie benötigte Selbstvertrauen und einen Fokus; was sie vor einem Kampf um ihr Leben am allerwenigsten brauchen konnte, war ein persönlicher Konflikt mit einem Offizier, vor dem sie tiefsten Respekt empfand. Warum begriff er nicht, daß sie nicht zurück konnte? Wie konnte er Befehle bellen – Befehle, die gegen das Gesetz verstießen –, wo er genau wußte, wie sehr sie ihr jetzt gerade zusetzen mußten?
Sie wußte es nicht. Sie wußte nur, daß es sie schmerzte und daß sie Stunden gebraucht hatte, bis sie ihre geschliffene, eiserne Entschlossenheit zurückerlangt hatte. Den Bruch mit White Haven bedauerte sie, aber sie konnte ihm nicht gestatten, sie abzulenken. Wenn White Haven das nicht verstehen konnte oder wollte, dann vermochte sie daran nichts zu ändern.
Sie bewegte sich leicht in dem konturierten Autositz und spürte die Leichtigkeit ihrer rechten Schulter. Ein noch tieferer Stich drang in ihre Distanz, bevor sie ihn zurückdrängen konnte. Nimitz hatte nicht bei MacGuiness zurückbleiben wollen. Zum ersten Mal, so weit sie zurückdenken konnte, hatte er eine ihrer Entscheidungen angefochten – hatte sie angefaucht und vor ihr die Zähne gefletscht, während seine Wut durch die Verbindung zu ihr hinüberkochte. Aber sie hatte sich geweigert, nachzugeben. Er durfte sie heute einfach nicht auf den Rasen begleiten. Es konnte überhaupt kein Zweifel bestehen, was passieren würde, wenn sie ihm gestattete, unter den Zuschauern zu sein, und ihr das Schlimmste widerfuhr. Er war blitzschnell und gut bewaffnet, aber Denver Summervale hatte sich bei der Planung seines niederträchtigen Feldzuges ganz bestimmt auch über Baumkatzen informiert; er würde so gut wie sie wissen, wie Nimitz reagierte, wenn er sie tötete, und es war unwahrscheinlich, daß sein Magazin leergeschossen wäre, wenn sie zu Boden ging. Sie seufzte und berührte mit der Hand das Polster an ihrer Uniformjacke, auf dem er normalerweise geritten hätte. Dann schloß sie die Augen und konzentrierte sich auf das, was ihr nun bevorstand.
Tomas Ramirez saß in dem Klappsitz gegenüber dem Captain. Der Pistolenkasten lastete schwer auf seinen Knien, und er wünschte, ihm wäre so ruhig zumute, wie Captain Harrington wirkte. Schon zum zweiten Mal innerhalb eines Monats machte er diese Reise, und Übelkeit drehte ihm den Magen um, als er an das letzte Mal dachte. Wenigstens weiß der Captain, was sie tut , versicherte er sich. Paul war viel weniger konzentriert, so als ob ihn die Ereignisse überrollt hätten … und ich glaube, er hatte auch einfach nicht den Killerinstinkt des Captains. Ramirez hatte sie im Gefecht erlebt. Er zweifelte nicht eine Sekunde an ihrer Entschlossenheit – nur an ihrer Fertigkeit; Denver Summervale hatte mehr als fünfzig Menschen auf Rasen wie jenem getötet, auf den sie zuhielten.
Er wandte den Kopf und sah die Graysons an, die Captain Harrington zu Seiten saßen. Candless bemühte sich, die eigene Besorgnis zu verbergen, LaFollet hingegen wirkte beinahe so ruhig wie der Captain. Etwas in Ramirez haßte den Major dafür fast ebensosehr, wie er ihn darum beneidete, aber er schüttelte das Gefühl ab und rief sich in Erinnerung, was LaFollet gesagt hatte, als er ihm seine Besorgnis
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