Mit Schimpf und Schande
Aufzeichner vorbeugte.
»Beabsichtigen Sie, den Earl von North Hollow ebenfalls zu fordern, Dame Honor?«
»Das allerdings, Mylord, damit der Gerechtigkeit Genüge getan wird.« Sie sprach mit noch immer gleich unbewegter Stimme, in der ganz entfernt das Klirren von Eis mitschwang, und White Haven schloß kurz die Augen.
»Ich möchte, daß Sie darüber … sehr sorgfältig nachdenken, Captain. Die Lage im Oberhaus bleibt weiterhin außerordentlich heikel. Die Regierung hat zwar eine Mehrheit gefunden, die die Kriegserklärung unterstützt, aber diese Mehrheit war außerordentlich knapp. Die Mehrheit, mit der sie wirklich arbeiten kann, ist noch schmaler. Noch dazu spielte North Hollow eine Schlüsselrolle in dem Prozeß, der zur Annahme des Antrags geführt hat. Jede Andeutung eines neuen Skandals, in den er verwickelt ist, ganz besonders, wenn er auch Sie betrifft, könnte katastrophale Auswirkungen zur Folge haben.«
»Das, Mylord, interessiert mich nicht«, wehrte Honor ab.
»Das sollte es aber. Wenn die Opposition …«
»Mylord«, und zum ersten Mal in ihrem Leben unterbrach Honor einen Flaggoffizier, noch dazu mit Schärfe, »die Opposition bedeutet für mich im Augenblick sehr wenig. Der Mann, den ich liebte, wurde auf Pavel Youngs Befehl hin getötet – ermordet!« White Haven wollte etwas sagen, doch Honor sprach weiter; aller Anschein von kühler Distanz war dahin. »Ich weiß – und wie ich glaube, wissen auch Sie –, daß ich dies niemals vor einem Gericht hinreichend beweisen könnte. Das läßt mir nur eine Möglichkeit, Mylord, und in diesem Königreich steht mir diese Möglichkeit nach dem Gesetz zu. Ich beabsichtige, dieses Recht zu nutzen und dabei keine politischen Erwägungen zu berücksichtigen.«
Dann schnitt sie sich selbst das Wort ab, auf sich selbst zornig, daß sie mit einem Admiral so geredet hatte; es war unangemessen gegenüber jedem Flaggoffizier, ganz besonders aber gegenüber diesem . Die Tünche ihrer Selbstbeherrschung war erheblich dünner, als sie geglaubt hatte, und am liebsten hätte sie unkontrolliert gezittert; es kam ihr vor, als würden Stromstöße durch ihre Nerven gejagt. Trotz allem aber hielt sie seinem Blick mit Augen so hart wie aus Achat stand. Unsicheres Schweigen schwebte für einen Moment über ihnen, dann schließlich straffte White Haven die Schultern und holte tief Luft. »Mir geht es nicht um North Hollow, Dame Honor. Nicht einmal um die Regierung – wenigstens nicht direkt. Mir geht es um Sie und die Folgen jeden Schrittes, den Sie gegen ihn einleiten könnten.«
»Ich bin vollauf bereit, die Folgen auf mich zu nehmen, Mylord.«
»Das ist ja schön! Ich aber nicht!« Zum ersten Mal sah Honor, wie seine Augen vor Wut blitzten, und diese Wut richtete sich direkt gegen sie. »Die Regierung Cromarty wird es überleben, aber wenn Sie Pavel Young zu einem Duell fordern – oder schlimmer, wenn Sie ihn fordern und töten – dann wird die Opposition durchdrehen. Sie glauben, es sei vor und während der Kriegsgerichtsverhandlung schlimm gewesen? Nun, Captain, dann wird es tausendmal so schlimm werden! Die Opposition wird Ihren Kopf auf einem silbernen Tablett verlangen, und dem Herzog wird keine andere Wahl bleiben, als ihn ihnen zu servieren! Begreifen Sie das denn nicht?«
»Ich bin keine Politikerin, Mylord. Ich bin Navyoffizier.« Honor wich seinem Blick nicht aus, aber der bittende Unterton in ihrer Stimme erstaunte selbst sie. Der Schmerz von White Havens jäh aufgewallter Wut schnitt tief ein. Für sie war plötzlich das Wichtigste auf der Welt, daß er sie verstand, und sie hob in einer flehenden Geste eine Hand vor den Combildschirm. »Ich kenne meine Pflicht und meine Verantwortung als Offizier der Königin, aber hat denn das Königreich nicht auch Pflichten mir gegenüber, Sir? Hätte Paul Tankersley nicht besseres verdient gehabt, als ermordet zu werden, weil jemand, der mich haßt, für seinen Tod bezahlt hat? Verdammt noch mal, Sir«, ihre leise, eindringliche Stimme vibrierte vor Leidenschaftlichkeit, und sie starrte ihn an, »das bin ich Paul schuldig – und auch mir selbst!«
White Haven zuckte zusammen, als hätte sie ihn geschlagen, aber er schüttelte nur langsam den Kopf.
»Sie haben mein Mitgefühl, Captain, und ich verstehe Sie sehr gut. Darauf können Sie sich verlassen. Aber ich habe Ihnen schon einmal gesagt, daß direktes Vorgehen nicht immer die beste Reaktion ist. Wenn Sie damit weitermachen, zerstören Sie sich und Ihre
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