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Mit Schimpf und Schande

Mit Schimpf und Schande

Titel: Mit Schimpf und Schande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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Verteidiger, mit einer aktiven Rolle betraut, die Tatsachen der Anklagepunkte zu eruieren. Ferner liegt es in unseren Händen zu entscheiden, welche Wirkung diese Tatsachen nicht nur auf den Angeklagten, sondern auf die Disziplin und Kampffähigkeit der Queen’s Navy haben werden. Sollte daher ein Mitglied des Gerichts einem beliebigen Zeugen eine oder mehrere Fragen stellen, so stellt dies keine Verletzung der richterlichen Unparteilichkeit dar, sondern geschieht in Ausübung der Pflicht des Gerichtes, alle Facetten der Wahrheit aufzudecken und zu gewichten.
    Darüber hinaus ist sich das Gericht im klaren über das enorme Interesse, mit dem die Öffentlichkeit diese Verhandlung verfolgt. Nur diesem Interesse ist es zu verdanken, daß die Admiralität sich bereit erklärt hat, diese Verhandlung öffentlich abzuhalten und der Presse den Zugang zum Gerichtssaal zu erlauben. Das Gericht weist jedoch die Presse noch einmal darauf hin, daß es sich hierbei um eine Verhandlung der Militärjustiz handelt und die Anwesenheit der Pressevertreter lediglich geduldet wird, ein Rechtsanspruch auf Anwesenheit allerdings nicht besteht. Das Gericht wird hingegen keinerlei Mißbrauch seiner Hinnahme dulden, ebensowenig wie eine Verletzung des Kriegsnotstandsgesetzes. Die Medien sind hiermit gewarnt.« Noch einmal ließ er den ernsten Blick seiner blauen Augen über die Pressegalerie schweifen, und die Stille klang wie Kristall. Dann räusperte White Haven sich und wies mit dem Finger auf Ortiz.
    »Sehr wohl, Frau Anklägerin. Sie können Ihren ersten Zeugen aufrufen.«
    »Vielen Dank, Mylord.« Captain Ortiz erhob sich wieder und sah den Gerichtsdiener an. »Mylord, die Anklage ruft als erste Zeugin Captain Gräfin Dame Honor Harrington in den Zeugenstand.«
     

8
    Das Kriegsgericht trat einer nach dem anderen in den Konferenzraum, der für die Beratung zur Verfügung stand. Kein einziges Wort wurde ausgetauscht, als die sechs Offiziere an den Marineinfanteristen vorbeischritten, die die einzige Tür des Raumes flankierten. Das leise Geräusch, mit dem sich die Tür hinter ihnen schloß, wirkte beinahe ohrenbetäubend.
    Earl White Haven setzte sich an den Kopf des Konferenztisches, ihm gegenüber am Fuße Admiral der Grünen Flagge Theodosia Kuzak, die dienstjüngeren Gerichtsangehörigen ließen sich auf Stühlen längs der polierten Platte aus einheimischem Goldholz nieder, je zwei auf einer Seite, und White Haven ließ seinen kühlen, ausdruckslosen Blick über die Leute schweifen, während sie Platz nahmen.
    Von ihnen allen kannte er Kuzak am besten. Aus Gründen, die nur ihr bekannt waren, hatte die rothaarige Admiralin seit der Graduierung von der Akademie alles daran gesetzt, sich den Ruf einer strengen, humorlosen Zuchtmeisterin zu erwerben. Ihre grünen Augen und strengen Züge konnten ein Pokergesicht bilden, das recht gut dazu paßte; außer für jene, die wie er die Frau dahinter kannten. Seit ihrer Kindheit waren Theodosia und er Freunde – und einst hatten sie einander, wenn auch nur für kurz, noch mehr bedeutet. Damals durchlebte Hamish Alexander eine schlimme Zeit; er befand sich in dem Prozeß hinzunehmen, daß die Verletzungen seiner Frau real und permanent waren – und daß es kein medizinisches Wunder geben würde, das ihr erlaubte, den Lebenserhaltungsstuhl je wieder zu verlassen. Ihn traf keine Schuld an Emilys Unfall, aber er war auch nicht bei ihr gewesen, um ihn zu verhindern, und unerträgliche Schuldgefühle und kaum faßbare Trauer verwandelten ihn in ein Wrack, weil er beobachten mußte, wie sie sich in das schwache und gebrechliche Zerrbild der Frau verwandelte, die er liebte – die er noch immer liebte, mit der er aber nie wieder eine körperliche Beziehung führen konnte. Theodosia hatte damals erkannt, daß er nicht immer nur stark und standhaft sein konnte – daß auch er des Trostes bedurfte – nicht mehr und nicht weniger –, des Trostes durch jemanden, deren Integrität so groß war, daß er sie niemals in Frage stellen müßte … und so war es gewesen.
    Konteradmiral der Grünen Flagge Rexford Jürgens, der links von Kuzak saß, war hingegen ein ganz anderer Fall. Ein stämmiger Mann war er, gebaut wie ein Fels, mit sandfarbigem Haar und permanent streitlustigem Gesichtsausdruck – und an diesem Tag verbreitete er wesentlich mehr Kriegslüsternheit als gewöhnlich. Seine hellbraunen Augen sahen aus, als wären sie verbarrikadiert, und er wirkte nicht im mindesten wie jemand, dem eine

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