Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit Schimpf und Schande

Mit Schimpf und Schande

Titel: Mit Schimpf und Schande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
Vom Netzwerk:
mit der gleichen, unerträglichen Bedächtigkeit zur nächsten, unbeschriebenen Seite umblätterte, aber er verkrampfte seine Knie. Das Herz schlug ihm bis zum Hals, und sein Magen war eine einzige, kalte Leere, doch die Demütigung und der Haß auf die Frau, die ihn hierhergebracht hatte, verliehen ihm Kraft.
    »Captain Lord Young, Sie haben die Anklagen gehört«, sprach White Haven mit tiefer, unbewegter Stimme. »Bekennen Sie sich schuldig oder nicht schuldig?«
    »Nicht schuldig in allen Punkten, Mylord.« Youngs Tenor war weniger volltönend als er sich gewünscht hätte, ihm fehlte der Beiklang der Aufsässigkeit, den er ihr hatte verleihen wollen, aber wenigstens zitterte sie nicht.
    »Vermerkt«, antwortete White Haven. »Setzen Sie sich, Captain.«
    Young ließ sich auf den Stuhl sinken, faltete auf dem Tisch die Hände und preßte sie eng zusammen, um ihr Zittern zu lindern. White Haven nickte der Anklägerin zu, die sich unverzüglich erhob.
    »Mylords, Myladys, hohes Gericht«, begann sie formell. »Die Anklage beabsichtigt zu beweisen, daß der Angeklagte die ihm in den Anklagepunkten zur Last gelegten Delikte tatsächlich begangen hat. Weiterhin wird die Anklage aufzeigen …«
    Mit einer gewissen Willensanstrengung schaltete Young ihre Worte aus und starrte auf seine gefalteten Hände. In seinem Innersten spürte er Haß und Furcht wie ätzende Säure an sich fressen. Selbst in diesem Moment konnte er nicht sagen, welches dieser Gefühle stärker war. Trotz der offen ausgesprochenen Erleichterung seines Vaters über die Zusammensetzung des Gerichts: Es bedurfte nur vier der sechs, um ihn zu verurteilen. Und wenn man ihn verurteilte, dann würde er sterben. Bei den letzten beiden Verbrechen, deren er angeklagt war, war kein anderes Strafmaß möglich.
    Doch so überwältigend die Furcht auch war, die ihm dieser Umstand einflößte – genährt von der Demütigung und Erniedrigung durch die Anklagen loderte sein Haß auf, um der Angst an Intensität gleichzukommen. Selbst wenn er freigesprochen wurde: Der Makel würde für immer an ihm haften bleiben. Was er auch tat, wohin er auch ging, hinter seinem Rücken würde man ihn flüsternd »Feigling« nennen. Und nur Harrington war daran schuld. Harrington, das Miststück, das ihn auf der Akademie gedemütigt hatte, indem sie seine Avancen zurückwies und ihn vor seinen Freunden beschämte. Harrington, die ihn in der Nacht, in der er sie allein abgepaßt hatte, um ihr den Kopf zurechtzusetzen, zusammenschlug und in ein blutendes, schluchzendes, sich erbrechendes Bündel verwandelte. Die jeden seiner Versuche, jeden Versuch seiner Familie und Verbündeten überstanden hatte, ihre Karriere zu ruinieren. Die sich im Basilisk-System mit Ruhm bekleckerte und ihn wie einen Idioten dastehen ließ und die aus dem Hancock-Gefecht als strahlende Heldin hervorging, obwohl sie selber die Kriegsartikel verletzt hatte, indem sie sich weigerte, das Kommando an den überlebenden dienstältesten Offizier weiterzugeben! Verdammt noch mal, sie war ihm untergeordnet, und trotzdem waren es ihre Befehle – ihre illegalen Befehle! –, für deren Nichtbefolgung man ihn anklagte.
    Die Galle kochte in ihm hoch, und er verkrampfte die Hände, bis die Knöchel schneeweiß hervortraten, dann löste er sie mühsam voneinander. Vor Haß und Furcht schwitzte er, und die Perlen brannten ihm auf der Kopfhaut und den Achselhöhlen. Er atmete tief durch, zwang sich, breit und aufrecht zu sitzen, während die Zuschauer und die Presseghoule der Anklägerin an den Lippen hingen, und biß die Zähne fest aufeinander.
    Irgendwann wäre Harringtons Zeit gekommen. Irgendwie, irgendwo, was auch immer ihm widerfuhr, das Miststück würde bekommen, was es verdient hatte, und für jede Demütigung, die sie ihm zugefügt hatte, würde sie bezahlen …
    »… beschließt die Anklage hiermit die Anklageeröffnung, Mylords und Myladys«, kam Captain Ortiz endlich zum Schluß. White Haven gab ihr nickend Erlaubnis, sich zu setzen, dann blickte er auf die Zuschauer hinter Young.
    »Das Gericht macht hiermit alle Anwesenden noch einmal darauf aufmerksam, daß der Angeklagte so lange als unschuldig gilt, bis und falls die Stichhaltigkeit der Anklagepunkte zur vollkommenen Zufriedenheit der Mehrheit des Gerichts bewiesen ist. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um ein ziviles Gericht, und die Angehörigen des Gerichts sind keine Richter im zivilen Sinne des Wortes. Wir sind, wie auch die Anklägerin und der

Weitere Kostenlose Bücher