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Mit Schimpf und Schande

Mit Schimpf und Schande

Titel: Mit Schimpf und Schande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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schlimmer, indem sie die Maschine in einen Looping zwang. Die Javelin stand kurz davor, ins Trudeln zu geraten, und Warnhupen entfesselten infernalischen Lärm – dann fuhr Honor die Bremsklappen wieder ein und schaltete die Triebwerke auf volle Nachbrennerleistung. Reine, unfaßbare Schubkraft rettete die Javelin – knapp – vor dem unkontrollierten Absturz, und dann war Pauls Flugzeug plötzlich vor Honor. Sie machte eine halbe Rolle und vervollständigte damit ihren Immelmann. Sie hatte jedoch so rasch und so stark an Geschwindigkeit verlieren müssen, um hinter ihn zu gelangen, daß er ihr fast wieder davongeflogen wäre – doch dann ging er schlagartig selbst in den Steigflug.
    Honor grinste wölfisch und folgte ihm mit Vollschub in eine aufsteigende Schere. Sie spürte, wie ihr der Andruck das Blut aus dem Kopf preßte, wie sie ihre Farbwahrnehmung verlor, fletschte die Zähne und ließ nicht locker. Sie hatten identische Maschinen, aber eine Javelin konnte die Grenzen der körperlichen Leistungsfähigkeit eines Piloten mühelos überschreiten – und Honors Toleranz gegen Schwerebelastung war einfach höher als Pauls. Sie machte rücksichtslos davon Gebrauch, um sich an sein Heck zu hängen, zog engere Kurven als er aushalten konnte, und dann zeigte ein Piepton an, daß der Richtungszeiger ihrer MG-Kamera sich auf ihrem HUD mit dem Symbol seiner Maschine überlagerte.
    Honor drückte den Abzug und ›beschoß‹ ihn mit einem Radarimpuls, der auf seinem Trefferchip gespeichert wurde. Dann brach sie nach Backbord aus, machte eine Rolle um die Flügelspitze und schoß mit triumphierendem Lachen kreischend in die Richtung zurück, aus der sie gekommen war.
    »Matrose an Werftheini. Da mußt du dich aber schon etwas geschickter anstellen, wenn du mit den großen Kindern spielen willst!«
     
    Über den luxuriös eingerichteten Warteraum hatte sich Schweigen gesenkt. Helles Sonnenlicht malte Seen aus warmem, flüssigem Gold auf den Parkettfußboden, doch Honor achtete kaum darauf. Das ausgelassene Vergnügen des Fluges mit Paul erschien ihr nur noch als ferne, halb vergessene Erinnerung an bessere Zeiten, während sie steif und schweigend in einem Sessel saß und sich bemühte, wirklich so gelassen zu wirken, wie sie aussah. Nicht, daß sie irgend jemanden, der sie kannte, hätte täuschen können, denn Nimitz konnte einfach nicht stillhalten. Immer wieder erhob er sich von seinem Lager im Sessel neben ihr, drehte und drehte sich im Kreise, als suchte er nach einer bequemeren Stelle auf den Kissen, bevor er sich wieder hinlegte und zusammenrollte.
    Wenn es nur erlaubt gewesen wäre, mit irgendeinem aus dem Dutzend anderer anwesender Offiziere zu sprechen. Das hätte ihr geholfen. Die meisten kannte sie, und einige waren Freunde, aber der Schreibersmaat der Admiralität neben der Tür saß nicht nur da, um sich um die Bequemlichkeit und die Bedürfnisse der Zeugen zu kümmern. Als Zeugen in einer Kriegsgerichtsverhandlung der Royal Manticoran Navy war es ihnen verboten, ihre Aussage zu diskutieren, bevor sie sie machten. Nach alter Tradition bedeutete dies, daß beim Warten überhaupt keine Konversation erlaubt war, und die Anwesenheit des Schreibersmaaten stellte eine stetige Erinnerung an diese Pflicht dar.
    Honor lehnte sich zurück und preßte den Schädel gegen die Wand hinter ihrem Stuhl. Sie schloß die Augen und wünschte, daß es endlich weitergehen würde.
    Die Augen starr geradeaus gerichtet, schritt Captain Lord Pavel Young in den riesigen, stillen Saal. Der Captain des JAG-Corps, der zu seinem Verteidiger ernannt worden war, erwartete ihn im Stehen. Marineinfanteristen geleiteten Young über den scharlachroten Teppich. Eine Wand des gewaltigen Raums bestand zur Gänze aus Fenstern, die vom Boden bis zur Decke reichten, und die prächtige Holzvertäfelung glänzte im hereinscheinenden Sonnenlicht. Young versuchte nicht zu blinzeln, um ein Mißverständnis der unwillkürlichen Reaktion auszuschließen. Als er seinen Stuhl erreichte, entspannte er sich ein wenig, aber indem er sich vom Sonnenschein abwandte, sah er auf den langen Tisch mit den sechs Schreibunterlagen und den sechs Karaffen Eiswasser. Er spürte die schweigenden, erwartungsvollen Zuschauer hinter sich und wußte, daß sein Vater und seine Brüder dort saßen, und dennoch konnte er nicht den Blick von dem Tisch nehmen. Ein schimmernder Degen – sein Degen, der vorschriftsgemäß zur Ausgehuniform gehörte – lag vor der mittleren

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