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Mit Schimpf und Schande

Mit Schimpf und Schande

Titel: Mit Schimpf und Schande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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Blick über die Runde schweifen, bis jeder Anwesende genickt hatte. Selbst die Art und Weise, mit der einige nickten, schrie schon heraus, daß sie ihre Entscheidung bereits gefällt hatten, was immer die Bestimmungen auch bezüglich der Wohlabgewogenheit des Urteils zu sagen hatten. White Haven machte es sich auf dem Stuhl bequemer, schlug die Beine übereinander, stützte die Ellbogen auf die Armlehnen und faltete die Hände auf dem Schoß.
    »In diesem Fall«, fuhr er ungerührt fort, »fangen wir an. Wir alle haben das Beweismaterial gesehen und gehört, aber bevor ich die Diskussion der Anklagepunkte eröffne, sollten wir eingestehen, daß unsere Entscheidung – wie auch immer sie ausfallen wird – politischen Zündstoff darstellt.«
    Lemaitre und Jürgens erstarrten, und White Haven grinste humorlos. Es war schlichtweg verboten, Politik in eine Kriegsgerichtsentscheidung einzubringen. Jeder Offizier war vereidigt worden, daß er oder sie eine unpolitische Entscheidung fällen werde, die nur auf dem vorgelegten Beweismaterial basierte, und White Haven war sicher, daß Kuzak und Simengaard den Eid reinen Herzens abgelegt hatten. Bei Jürgens war er sich sicher, daß es genau umgekehrt war, und Lemaitres Gesichtsausdruck war – vielsagend. Hemphill hingegen … bei Sonja war er sich nicht sicher. Sie erwiderte lediglich seinen Blick, und wenn ihre Lippen auch verkrampft wirkten, so wichen ihre wasserklaren Augen ihm doch nicht aus.
    »Selbstverständlich will ich damit nicht andeuten, daß jemand aus unserer Runde seine oder ihre Stimme aus politischen Motivationen abgeben könnte«, erklärte er, denn als Vorsitzender des Gerichts mußte er höflich bleiben. »Nichtsdestotrotz ist jeder von uns ein fehlbarer Mensch, und ich bin sicher, daß wir alle über die politischen Auswirkungen unserer Entscheidung nachgedacht haben.«
    »Darf ich fragen, worauf genau Sie hinauswollen, Sir?« fragte Lemaitre steif. White Haven richtete seine kühlen, blauen Augen auf sie und zuckte mit den Schultern.
    »Worauf ich hinauswill, Commodore, ist folgendes: Jeder von uns sollte im Auge behalten, daß jeder andere in diesem Raum sich ebensosehr der politischen Konsequenzen unseres Urteils bewußt ist wie er oder sie selbst.«
    »Für mich klingt das, als wollten Sie andeuten, jemand hier ließe sein oder ihr Urteil von politischen Motivationen beeinflussen, Sir«, entgegnete Lemaitre, »und was mich betrifft, so weise ich diese Unterstellung aufs entschiedenste zurück.«
    White Haven dachte zwar daran, sagte jedoch besonnen nichts über Leute, die sich den Schuh anziehen, der ihnen am besten paßt, aber er lächelte schwach und begegnete Lemaitres Blick, bis sie errötete und die Augen niederschlug.
    »Selbstverständlich steht Ihnen frei, meine Worte zu interpretieren, wie Ihnen beliebt, Commodore«, sagte er schließlich. »Ich betone dennoch erneut, daß die von uns gefällte Entscheidung politisch brisant ist, daß wir alle das wissen und daß wir nicht gestatten dürfen, daß dies unsere Sicht des Beweismaterials beeinflußt. Diese Warnung und die Pflicht zu ihrer Äußerung entspringt meiner Verantwortung als Vorsitzender dieses Gerichtes. Haben Sie alle das verstanden?«
    Erneutes Kopfnicken; trotzdem schaute Jürgens drein, als hätte er gerade eine Gräte verschluckt. Lemaitre allerdings nickte nicht, und White Haven blickte sie scharf an.
    »Ich fragte, ob Sie das verstanden haben, Commodore«, wiederholte er leise. Sie zuckte zusammen, als hätte er sie mit der Nadel gestochen, dann nickte sie ärgerlich. »Gut«, sagte White Haven so leise wie zuvor und sah wieder auf die anderen. »In diesem Fall haben Sie die Wahl, Ihre erste Stimme ohne vorherige Diskussion abzugeben, meine Damen und Herren, oder wollen Sie ohne Abstimmung gleich zur Diskussion der Anklagepunkte und des Beweismaterials übergehen?«
    »Ich sehe keine Notwendigkeit abzustimmen, Sir«, antwortete Jürgens auf der Stelle, als hätte er sich bereitgehalten und abgewartet. Seine ärgerliche Stimme war geradezu theatralisch brüsk. »Die gesamte Anklage basiert auf einer rechtswidrigen Interpretation der Kriegsartikel. Daher ist sie überhaupt nicht stichhaltig.«
    Darauf folgte ein Augenblick vollkommenen Schweigens. Selbst Hemphill und Lemaitre wirkten wie gelähmt, und Kuzaks Pokergesicht versagte gerade lange genug, um tiefe Abscheu hindurchsickern zu lassen. White Haven nickte nur mit geschürzten Lippen und kippelte mit dem Stuhl sachte von

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