Mit sich selbst befreundet sein
unvorhersehbar: es kann sogar kehrtmachen und sich gegen den Lachenden selbst wenden, etwa wenn es »im Halse stecken bleibt«. Das Subjekt verformt sich bis zur Unkenntlichkeit, mit ernsten Folgen für seine Verfassung, denn es »platzt vor Lachen«. Es ist eine Krankheit, man »lacht sich krank«, ja es ist fast so etwas wie eine Epilepsie: Man »schüttelt sich vor Lachen«. Der Krampf, der von verwunderten und entsetzten Beobachtern schon oft beschrieben worden ist, verzerrt nicht nur die Gesichtszüge zu Grimassen, sondern befällt auch die Gehirnwindungen und schlingt sie auf heillose Art und Weise ineinander. So viel zur pathologischen Bestandsaufnahme.
Eine Theorie des Lachens gibt es nicht und hat es nie gegeben, und das ist wohl auch gut so: Wäre es zu definieren, würde es festgeschrieben und ließe sich kaum mehr freisetzen. Das Wesentliche am Lachen aber ist seine Praxis, und seine Erörterung dient lediglich der verbesserten Ausübung. Es als Kunst aufzufassen heißt, an seinem Können zu arbeiten: Möglichkeiten dazu zu erschließen, einige davon Wirklichkeit werden zu lassen, und diese Wirklichkeit immer weiter zu verfeinern. Die Kunst entsteht am Schnittpunkt zwischen Praxis und ihrer Reflexion, und durch beständige Einübung geht das Lachen in Fleisch und Blut über. Was mit der Kindheit verloren worden ist, lässt sich so mit einiger Anstrengung wieder gewinnen. »Eine ernste Kunst ist Lachen«, war Nietzsche überzeugt (Nachlassfragment vom Frühjahr 1882), und er bemühte sich selbst um sie sehr ernsthaft:Versuchsweise lachte er mithilfe eines Mittels aus Java, das er von einem alten Holländer 1884 in Sils-Maria erhielt. Seine Schwester berichtet, dass er sich, als er mal ein paar Tropfen zu viel davon nahm, plötzlich auf den Boden habe hinwerfen müssen, da die Erheiterung in eine Art Lachkrampf ausgeartet sei. Ohne jede pharmakologische Unterstützung bestünde die Kunst des Lachens eher darin, die Anlässe ein wenig zu suchen, die Schwelle etwas abzusenken oder sie mit nuancierten Abstufungen in subtiler Weise so einzurichten, dass, wenn der Augenblick da ist, eine ganze Skala des Lachens sich entfalten kann. Die Kunst könnte auch darin bestehen, diese Schwelle sehr hoch anzusetzen, um nicht bei kleinsten Anlässen schon loszuprusten: Es käme eher darauf an, seltener, dafür aber tief und schwer und bedeutungsvoll zu lachen.
Niemand kann gegen das Lachen ernsthaft etwas sagen: Darin liegt seine subversive Macht. Es ist die gefürchtete Transversale , die alle Machtverhältnisse durchquert und durchkreuzt. Die Mächtigen fürchten das Gelächter aus diesem Grund mehr als jeden konventionellen Feind. Es wirkt ansteckend. Immer steht es in Gefahr, zur Epidemie zu werden, ja sogar zur Pandemie, denn es kennt keine Grenzen, es ist multikulturell und international. Es ist nicht zu fassen, so wenig wie es zu begreifen ist, die perfekte Subversion, die selbst von einer totalitären Herrschaft nicht zunichte gemacht werden kann. Herrschaft bedarf irgendwelcher Waffen; was aber ist, wenn sie selbst der Waffe der Lächerlichkeit preisgegeben ist? Konnte nicht »der Führer« erst in jenem tödlichen Ernst aufleben, den eine im Lachen sehr ungeübte Gesellschaft ihm zugestand? Sich seiner durch Tyrannenmord zu entledigen, wollte nicht gelingen; aber das Lachen wäre tödlich gewesen, denn es klebt wie eine Klette an denen, über die es sich ausschüttet, und sein Echo hallt noch lange durch die Geschichte nach, zieht sich unterirdisch weiter durch die Zeiten und Räume und platzt irgendwann und irgendwo unerwartet wieder hervor.
Dabei ist Lachen nicht gleich Lachen, es gibt vielmehr eine Unzahl von Varianten davon, je nachdem, mit welchem Gefühl es vermischt ist: mit Zorn, Liebe, Hass, Neid und vielem mehr. Keineswegs ist es identisch mit Freude , es kann auch mit Verzweiflung verbunden sein. Nicht selten ist es durchsetzt mit Sarkasmus und wird das »böse Lachen« genannt; es erinnert vielleicht noch am ehesten daran, was das Lachen einst war, wenn der Genealogie Glauben geschenkt werden darf: eine Form von Grausamkeit. Es wird gefürchtet, denn es entstammt nicht irgendwelchem Wohlwollen, sondern einem Abgrund an Skepsis und Geringschätzung, einer Misanthropie, oder einem Wissen um die Aussichtslosigkeit der Verhältnisse. Ferner das höhnische, spöttische Lachen, oder das Lachen der Kritik . Andererseits das befreite Lachen, das eine große Spannung mit einem Mal in nichts zerstieben
Weitere Kostenlose Bücher