Mit sich selbst befreundet sein
Schweigen, in dem es das Eigenste seiner Existenz bewahrt und »für sich behält«. Einen Kontrast dazu bildet das ephemere , beiläufige und vorübergehende Schweigen ohne besonderen Grund. Anderen zugewandt oder aber gegen sie gerichtet, in jedem Fall absichtsvoll ist das intentionale Schweigen, das ein Schweigen des Wohlwollens oder eines der Ignoranz sein kann. Ganz anders das enigmatische Schweigen, das rätselhaft bleibt, da nicht klar ist, ob es überhaupt etwas sagt, und, wenn ja, was. Möglich ist ein erotisches Schweigen, das die Lust eines Augenblicks, den Genuss eines Anblicks auskostet und mit keinem Wort zerstört. Das Schweigen kann jedoch auch aus dem Schmerz kommen: ein doloröses Schweigen, das sich den Kraftaufwand eines Wortes nicht mehr leisten kann, oder kein Wort mehr findet für das, was erfahren worden ist. Oder das resignative Schweigen: zu glauben, es habe keinen Sinn mehr zu sprechen, und daher den Diskurs zu verweigern. Und es kann ein finales Schweigen sein: nichts mehr zu sagen, alles für sich zu behalten und schweigend aus der Welt zu gehen.
Schweigen ist ein Einsatz im Spiel der Macht , wenn es dem Selbst abverlangt wird, jedoch auch, wenn es dem Zugriff anderer entgegengesetzt wird. Da ist einerseits das oktroyierte, heteronome Schweigen, das keine Form, sondern Norm ist: nicht sprechen zu dürfen, subtiler noch: von anderem sprechen zu müssen. Es gibt das Schweigen derer, die aus den Vernichtungslagern kamen und nichts von dem sagen konnten, was sie erleben mussten; auch das Schweigen derer, die von den Lagern wussten und dennoch nichts sagten – aber töten kann auch ein Totschweigen. Andererseits das autonome Schweigen, das sich keiner äußeren Macht fügt, sondern Selbstmächtigkeit ist, die sich gegen die Zumutung wendet, zum Reden gebracht zu werden: »Die Verschwiegenheit entspringt aus einer mächtigen Selbstbeherrschung, und sich in diesem Stücke zu überwinden ist ein wahrerTriumph«, meinte Gracián; die Fähigkeit dazu zu vernachlässigen, hielt er nicht für ratsam: »So vielen man sich entdeckt, so vielen macht man sich zinsbar« ( Handorakel , Aphorismus 179). Das Schweigen, das als Schutz dient, ist das murale Schweigen, das geradezu eine Mauer errichten kann, eine »Mauer des Schweigens«, allerdings nicht nur autonom, sondern auch heteronom. Die Schwelle eines herrschenden Schweigens ist nur mit größter Mühe zu überwinden, etwa bei einem Gespräch, das zum Stillstand gekommen ist, oder in einer Gesellschaft, die über etwas nicht spricht. Das absolute Schweigen aber, nach dem manche sich sehnen, existiert nicht. Denkbar wäre es nur als »Schwarzes Loch«, in dem das Gesagte wie auch das Sagbare verschwindet. Selbst dann, wenn es real wäre, könnte niemand etwas davon wissen, und wer jemals an seinem Abgrund gestanden hätte, könnte darüber nicht sprechen. So gibt es nur ein relatives Schweigen, inmitten des Sprechens, inmitten des Lärms. Und ein ontologisches Schweigen, in dem die Dinge und die Welt zu verharren scheinen und allen Versuchen, sie zum Sprechen zu bringen, mit Gleichgültigkeit begegnen. In der Kunst des Lachens und des Lächelns empfindet die Seele gelegentlich ihre Komplizenschaft damit.
Kunst des Lachens und des Lächelns
Was ist das Lachen? Das ist schwer zu sagen, es entzieht sich konsequent dem Zugriff der Reflexion. In der modernen Neurobiologie wird es als »subkortikales« Phänomen verdächtigt, das heißt als etwas, das der primitiven, irrationalen Instinktschicht entstammt. Irgendwo kocht es schon unter der Oberfläche und explodiert plötzlich wie ein Vulkan. Seismographische Messungen nehmen vielleicht im Voraus schon ein leichtes Beben wahr, aber sichere Voraussagen kann man nicht machen. Mit einem Mal bricht es hervor, mit oder ohne Grund. Es zeichnet eine Struktur von Linien ins Gesicht, die vorher nicht zu sehen waren,die sich aber mit der Zeit festsetzen und einen Menschen charakterisieren wie sonst nur seine Unterschrift. Die wohlgestaltete, ebenmäßige Symmetrie des Gesichts wird bis zum Äußersten gespannt, und schließlich zerreißt sie; der Mund, der doch immer die nuanciertesten Laute von sich gibt und ein Ort des Ausdrucks und der Bedeutung ist – dieser Mund öffnet sich weit und entlässt ein einziges schallendes, rhythmisch wiederholtes Geräusch, völlig disproportioniert und irregulär: Das Lachen weiß selten das rechte Maß zu wahren, es ist per se ein Exzess. Der Weg, den es nimmt, ist
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