Mit sich selbst befreundet sein
Erde herfällt, der er entstammt, um sie zu ruinieren; der sich aller Welt zu bemächtigen sucht und dabei noch nicht einmal zur Selbstmächtigkeit in der Lage ist. Kein Zweifel, dass das Lachen mit der Aufklärung verwandt ist, denn es stellt die Zusammenhänge in ein gleißendes Licht vor aller Welt. Es findet sich in einer gewissen Gegnerschaft zum Pathos des Erhabenen. Es ist nicht etwa eine »Zusammenstimmung des Subjekts mit sich«, es ist keine Geste der Identität, vielmehr bricht das radikal Andere in ihm auf, das zum Vorschein kommt, wenn das Innerste zuäußerst gekehrt wird. Das Subjekt vergisst sich, verlässt kurz entschlossen das Gefängnis seiner selbst, um sich als ein anderes zu erfahren als es eben noch war. Es macht einen Sprung, fängt Feuer, entzündet sich und brennt schon lichterloh, bevor die ganze mühsame Strecke der Reflexion durchmessen werden kann. Unversehens wirft es den Kopf weit zurück, die Brustpartie weitet sich, es lacht, bis ihm Hören und Sehen vergehen. Sollte das Lachen eine Krise im Verhältnis des Selbst zu sich sein,dann eine heilsame: Wer lacht, holt Luft und gewinnt Kraft, mit der sich wieder leben und etwas bewältigen lässt. Daher empfiehlt Nietzsche im »Versuch einer Selbstkritik« (1886) zur Geburt der Tragödie : »Ihr solltet vorerst die Kunst des diesseitigen Trostes lernen, – ihr solltet lachen lernen, meine jungen Freunde«.
Aber diejenigen, die glauben, das Lachen könne nicht denken, sind sehr simple Gemüter, vielleicht auch etwas schwerfällige: Denn das Lachen denkt schneller, als dies das rein aufs Denken fixierte Subjekt für möglich hält. Es ist ein Medium der Erkenntnis, das alle Gegenstände blitzartig durchdringt. Demokrit war derjenige, der über alles lachte, weil er alles wusste . Das ganze banale Leben wurde für ihn zum Nichts. Wenn dem Lachen alle Vernunft abgestritten wird, dann nur deswegen, weil es eine andere Vernunft hörbar werden lässt – eine lachende Vernunft, die sich über Gewohnheiten, Normen und Konventionen, die »die Vernunft« für sich allein beanspruchen, lustig macht. Dass es höhere und niedrigere Vermögen des Menschen in sich vereint, erweise sich schon daran, meinte Aristoteles, dass es zwerchfellerschütternd wirkt: Das Zwerchfell ist die Schwelle zwischen oberen und unteren Regionen des Menschen, und seine Vibrationen setzen sich wiederum nach unten wie nach oben fort; nach unten in die Verdauungsorgane, nach oben in die einsamen Höhen des Geistes. Daher folgte im verlorenen Teil der Poetik des Aristoteles die Erörterung des Lachens auf die Theorie der Tragödie: Wie in der Tragödie geht es auch in der Komödie um eine Katharsis, eine Reinigung, eine Heilung von Schmerz und Leid, die hier freilich mithilfe des Gelächters geschieht. Die szenische Ausgangssituation ist in beiden Fällen eine tragische, und in beiden Fällen tränen die Augen. In keinem Fall aber steht eine Aufhebung oder Überwindung des Tragischen in Frage, nur das Leben und der Umgang damit.
Da eine Komödie im Alltag nicht immer zur Hand ist, bedarf die Kunst des Lachens eines beweglicheren Mittels. Ein solches ist der Witz . Der Witz ist eine Lachmaschine. Schon in der antikenRhetorik wurde er systematisch eingesetzt, um die Lacher auf die eigene Seite zu ziehen. Aber entgegen dem ersten Anschein ist er keine einfache Sache: Er ist, um zu wirken, abhängig vom richtigen Augenblick und angemessenen Umständen. Seine Technik beruht darauf, überraschend etwas zu sagen, was keiner erwartet hätte: Auf diesen Punkt des Umschlags, diese Pointe muss er zusteuern. Es handelt sich um eine unvermutete Verknüpfung, ein Spiel mit der Doppeldeutigkeit, eine plötzliche Erhellung, eine augenzwinkernde Erklärung, die in maximaler Verdichtung alles sagt. Manche können gar nicht darüber lachen, andere wiederum können nicht mehr aufhören. Manchmal ermöglicht eine einzige semantische Verschiebung das Heraustreten aus der gewohnten Ordnung des Diskurses; ein Moment, der sich wie ein Fenster öffnen lässt, das im nächsten Augenblick schon wieder zuschlägt. Der Witz ist ein Spalt, durch den das Dionysische für einen Moment in den Alltag eindringt. Das Denken wird dabei von einem Geistesblitz durchzuckt, der auch den ganzen Leib erfasst. Aber in der Antike war man sich dessen bewusst, dass es schwierig ist, witzig über den Witz zu reden, und auch in moderner Zeit glauben viele, dass es zwar möglich sei, Witze zu reißen, aber nicht, Witze über
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