Mit Sicherheit Liebe
Alex’ Situation hatte schließlich nichts mit dem zu tun, was vor langer Zeit geschehen war. Und er würde dafür sorgen, dass es auch so blieb.
„Ich weiß doch, was dir im Kopf rumschwirrt. Aber schön, mach nur weiter so. Quäl dich und gib dir die Schuld für etwas, für das du nichts kannst.“
„Thema beendet“, sagte Garrett kurz angebunden.
„Na gut. Du warst ja schon immer ein Sturkopf.“
„Wer’s sagt, ist es selber.“
„He“, beschwerte sich Griffin, „für die witzigen Bemerkungen bin ich zuständig.“
„Natürlich. Wie konnte ich das nur vergessen?“ Amüsiert nippte Garrett an seinem Bier.
„Halt mich bitte unbedingt auf dem Laufenden, ja? Erzähl mir, was ihr Vater gesagt hat. Und wenn du Hilfe brauchst, ruf mich sofort an.“
„Natürlich“, versprach Garrett, obwohl er bereits wusste, dass er das nicht tun würde. Was Alex’ Schutz anging, wollte er keine Hilfe. Er wollte alleine auf sie aufpassen. Er hätte seinem Bruder sein Leben anvertraut – aber nicht das von Alex. Nein, für ihre Sicherheit wollte er ganz alleine sorgen.
Alex konnte nicht schlafen.
Immer wenn sie die Augen schloss, tauchten die Bilder des vergangenen Tages wieder vor ihr auf. Vor allem natürlich Bilder von Garrett. Wie er lachte, wie er mit den Kindern scherzte – und vor allem natürlich, wie er sie geküsst hatte!
Oh, dieser Kuss war – na ja, viel zu kurz gewesen, aber davon abgesehen einfach wundervoll. Sie fühlte sich geradezu verzaubert.
Sie erhob sich aus dem Bett und trat auf den Balkon ihrer Suite hinaus. Das Mondlicht spiegelte sich auf dem Ozean, und alles war ruhig. Als ob die ganze Welt schlief und träumte.
Alex wusste, wenn sie schlafen könnte, würde sie von Garrett träumen.
Eigentlich sollte ich ein schlechtes Gewissen haben, weil ich einfach so aus Cadria abgehauen bin, dachte sie. Aber ich habe keins. Wahrscheinlich, weil ich so lange genau nach Wunsch funktioniert habe. Immer bin ich die pflichtbewusste Tochter gewesen, die hilfreiche Schwester, die perfekte Prinzessin. Immer zur rechten Zeit am rechten Ort, um das Richtige zu sagen und zu tun.
Sie liebte ihren Vater, aber er benahm sich, als käme er direkt aus dem Mittelalter. Hätte ihre Mutter nicht einen mäßigenden Einfluss auf ihn gehabt, hätte König Gregory von Cadria seiner einzigen Tochter sicher am liebsten einen Keuschheitsgürtel umgelegt und sie in einem Verlies eingesperrt. Natürlich nur so lange, bis er den richtigen Ehemann für sie ausgesucht hatte.
Jedes winzige Stückchen Selbstständigkeit und Unabhängigkeit hatte sie sich hart erkämpfen müssen. Es genügte ihr einfach nicht, sich nur bei Staatsempfängen zu präsentieren. Oder ein Schiff zu taufen oder einen neuen Park zu eröffnen. Sie wollte mehr. Sie wollte, dass ihr Leben einen wirklichen Sinn hatte.
Und wenn das bedeutete, dass eine achtundzwanzigjährige Frau von zu Hause fortlaufen musste – dann war das eben so.
Sie konnte nur hoffen, dass ihr Vater ihr irgendwann verzeihen würde. Vielleicht würde er eines Tages verstehen können, wie wichtig ihr ihre Freiheit war.
Selbst die geringste Selbstbestimmung war ihr verwehrt. Der Palast entschied, was sie zu tun hatte und wann sie es zu tun hatte.
Sogar ihre Arbeit mit bedürftigen alleinerziehenden Müttern in der Hauptstadt von Cadria war von der Palastpresse vereinnahmt worden. Das offizielle Publikationsorgan hatte sie geradezu als Heilige dargestellt. Als die großherzige Prinzessin, die den Minderbemittelten half. Das hatte sie sehr wütend gemacht, weil es die Frauen, denen sie helfen wollte, demütigte und beschämte.
Einerseits Privilegien genießen, andererseits ständig auferlegte Pflichten erfüllen – das nahm ihr allmählich die Luft zum Atmen.
Sie versuchte, diesen Gedanken zu verdrängen, weil ihr bewusst war, wie erbärmlich sich das für einen Außenstehenden anhören musste. Das arme reiche Mädchen, das so zu leiden hatte! Sicher gab es viele Menschen, denen es schlechter ging. Trotzdem war das Leben als Prinzessin kein Zuckerschlecken. Genau das hatte sie der kleinen Mia begreiflich zu machen versucht.
Ja, die kleine Mia.
Alex musste lächeln. Der Tag mit Mia und ihrer Familie war so ziemlich der schönste ihres Lebens gewesen. Endlich hatte sie einmal etwas anderes erlebt. Nicht das ewig gleiche Einerlei des Palastlebens.
Im Prinzessinnendasein gab es keine Überraschungen. Keinen Spaß, keine Aufregung und erst recht keinen kleinen Flirt.
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