Mit verdeckten Karten
höckern.«
»Was würde es tun?« erkundigte sich Nastja verständnislos.
»So hat er sich ausgedrückt, es würde sich höckern. Er meinte wohl, es würde sich wellen oder verziehen. Damit der Passierschein würdevoll aussieht, sagte er, muß das Gewicht des Gegenstandes, mit dem das Foto nach dem Ankleben beschwert wird, genau siebenhundertsechsundfünfzig Gramm betragen. Kein Gramm weniger und kein Gramm mehr. Vielleicht hatte man dieses Ding extra für ihn angefertigt.«
»Irgendein Schwachsinn«, sagte Nastja achselzuckend.
»Ich weiß nicht«, sagte Swetlana und schüttelte den Kopf. »Das sind seine Worte, ich habe mir nichts ausgedacht. Irina kann es bestätigen, sie hat es auch gehört.«
3
Igor Sergejewitsch Schulgin schien nicht gerade davon begeistert zu sein, sich mit Nastja unterhalten zu müssen. Es war bereits Feierabend, er hatte zweifellos bereits ein Gläschen gekippt, und die vorgetäuschte Courage kämpfte in ihm ganz offensichtlich mit dem Unwillen, sich mit einer Kripobeamtin zu unterhalten und so womöglich den Alkoholgehalt in seinem Blut zu offenbaren.
»Igor Sergejewitsch, stimmt es, daß Ihnen hier Stellenkürzungen in Flöhe von dreißig Prozent bevorstehen?«
»Davon weiß ich nichts. Ich achte nicht auf Gerüchte und Klatschereien.«
»Aber Sie haben solche Gerüchte gehört?«
»Ich höre nicht auf das Geschwätz von Nichtstuern.«
Nastja betrachtete aufmerksam den vor ihr sitzenden, hochgewachsenen Mann. Obwohl seine Haare sich bereits zu lichten begannen und die ersten überflüssigen Kilos zu sehen waren, verfügte er noch über eine gewisse männliche Anziehungskraft. Dennoch war deutlich zu sehen, daß nicht mehr viel fehlte, und er würde sich in einen beleibten, verschlissenen Pavian verwandeln, in einen Mann, der ein aktives Liebes- und Trinkerleben hinter sich hatte und vor dem ein langes ödes Alter mit Leber- und Prostatabeschwerden lag. Vielleicht wußte er das und war deshalb so mißmutig.
»Igor Sergejewitsch, hat man sich bei der Einstellung Ihres Stellvertreters mit Ihnen beraten und Sie nach Ihrer Meinung gefragt?«
»Selbstverständlich. Ich habe es nie zugelassen, daß in meiner Abteilung jemand eingestellt wurde, den ich nicht kannte.«
So, so, dachte Nastja, wir sind also ganz schön eitel. Dein Stellvertreter, mein Lieber, ist nicht dir unterstellt, sondern dem nächsthöheren Chef. Nicht du entscheidest, wer dich in deiner Abwesenheit vertritt, sondern er.
»Haben Sie Tarassows Bewerbungsunterlagen gesehen?«
Ein schneller Blick zur Seite, ein nervöses Zucken der oberen Wangenhälfte, nur für den Bruchteil einer Sekunde.
»Natürlich habe ich sie gesehen.«
Diesmal klang Schulgins Antwort nicht mehr so überzeugend.
»Igor Sergejewitsch, versuchen Sie sich bitte zu erinnern, was an seiner Bewerbung Sie davon überzeugt hat, daß er der richtige Stellvertreter für Sie ist.«
»Das weiß ich nicht mehr.«
»Aber das liegt doch noch nicht lange zurück, Igor Sergejewitsch. Irina Koroljowa und Swetlana Naumenko arbeiten schon so lange bei Ihnen in der Abteilung, in den letzten Jahren wurde kein einziger neuer Mitarbeiter eingestellt, Irina Koroljowa war die letzte, seither wurden nur Stellen gestrichen. Es kann doch nicht sein, daß Sie sich nicht mehr erinnern, was in den Bewerbungsunterlagen einer Person stand, die Sie zu Ihrem Stellvertreter ausgewählt haben. Es handelt sich doch um die einzige Neueinstellung innerhalb von fünf Jahren.«
»Ich sagte Ihnen doch, ich erinnere mich nicht mehr.«
In Schulgins Stimme wurde ein gereizter Ton hörbar, aber er versuchte sofort, ihn zu unterdrücken.
»Gut, gehen wir weiter«, sagte Nastja leichthin. »Wie haben Sie reagiert, als Sie entdeckten, was Tarassow mit Ihrem Schreibtisch angestellt hat?«
»Wie hätte ich denn reagieren sollen?« entgegnete er, die Frage mit einer Gegenfrage beantwortend.
»Ich weiß es nicht«, sagte Nastja lachend. »Jeder reagiert in so einer Situation anders. Der eine schimpft und tobt vielleicht, der andere bedankt sich dafür, daß sein Schreibtisch endlich in Ordnung gebracht wurde, dem dritten ist es egal. Die einen lachen vielleicht, die andern sind außer sich vor Wut. Wie war es bei Ihnen?«
»Was hat das alles mit dem Mord an Tarassow zu tun?« fragte Schulgin unwirsch. »Sie denken hoffentlich nicht, daß ich ihn umgebracht habe, weil er meinen Schreibtisch durchwühlt hat.«
»Warum eigentlich nicht?« erkundigte sich Nastja unschuldig. Sie hatte
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