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Mit verdeckten Karten

Mit verdeckten Karten

Titel: Mit verdeckten Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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gehalten, im Gegenteil. Als die Rationalisierungsmaßnahmen begannen, hat man den Arbeitsplatz für den fünften Sachbearbeiter einfach gestrichen und dessen Funktionen auf Irina übertragen, ohne ihr Gehalt zu erhöhen. Nun ja, unsere Irotschka hat keine Angst vor Arbeit, sie reißt sich geradezu darum. Als einer unserer Mitarbeiter bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam, hat Irina auch seine Arbeit übernommen, und man hat ihre Gehaltsstufe erhöht. Dann folgte die nächste Rationalisierungsmaßnahme, man hat auch die Stelle des umgekommenen Mitarbeiters wegrationalisiert und noch einen anderen Mitarbeiter, einen Trunkenbold, entlassen, natürlich auch im Rahmen der Kürzungen. Und zu Irina hat man gesagt, daß sie nun, da sie in die zweite Gehaltsstufe aufgestiegen sei, auch mehr arbeiten müsse, und hat ihr auch das Arbeitsgebiet des entlassenen Sachbearbeiters aufgebrummt. So kam es, daß Irina inzwischen praktisch vier Arbeitsstellen besetzt, während ich nur Kaffee koche und die Tische mit Flaggen und Blümchen schmücke. Und das könnte Irina zur Not auch noch machen. Sie zu entlassen, ist unmöglich, sie ist unersetzbar. An ihrer Stelle müßte man vier Leute einstellen, und dafür sind die Mittel nicht vorhanden.«
    »Alles klar. Jetzt noch einmal zurück zu Schulgin. Warum hat er seinen neuen Stellvertreter nach Ihrer Meinung nicht zur Rede gestellt nach seinem Übergriff und der öffentlichen Zurschaustellung seines Schreibtischinhalts?«
    »Aus demselben Grund natürlich. Er hat auch Angst vor Entlassung. Wozu braucht eine Abteilung mit zwei Mitarbeitern zwei Chefs? Das ist doch ein Witz. Natürlich wird man einen der beiden entlassen, und natürlich wird dieser eine nicht derjenige sein, den man eben erst eingestellt hat.«
    »Aber wenn das so klar ist, dann hatte Schulgin doch gar nichts zu verlieren. Wenn er ohnehin weiß, daß er auf der Abschußliste steht, dann hätte er sich doch ohne weiteres Luft machen und dem Flegel sagen können, daß er ein Flegel ist.«
    »Nein, nein, so einfach ist das nicht.« Swetlana machte eine aufgeregte Bewegung mit den Händen. »Für ihn ist es sehr wichtig, daß er weiterhin hier arbeiten kann, im Zentrum. Hier werden enorme Gehälter bezahlt, und einen Teil davon bekommt man in Valuta. Er hatte immer noch die Chance, aus der Protokollabteilung in eine andere Abteilung versetzt zu werden. Und Jurij Jefimowitsch war der Mann des Generaldirektors, das wußte jeder, mit ihm durfte man es sich nicht verderben.«
    Tarassow war also der Mann des Generaldirektors, dachte Nastja, das ist ja schon mal sehr interessant. Zum Generaldirektor werde ich natürlich nicht gehen, da stecke ich meine Nase nicht hinein. Mit dem soll sich Jura Korotkow unterhalten.
    »Versuchen Sie bitte, sich an alles zu erinnern, was Tarassow über sich erzählt hat, über seine Familie«, bat Nastja.
    »Er hat eigentlich kaum etwas erzählt. Als er uns seine Lektionen über richtige Blumenpflege erteilte, erwähnte er, daß er auf der Datscha Rosen züchtet. Er sagte auch etwas davon, daß er drei Schäferhunde hat, aber ich weiß nicht, ob er sie zu Hause hielt oder auf der Datscha. Die Kinder sind erwachsen, sagte er, schon aus dem Haus, er lebte mit seiner Frau allein. Über seine Enkel erzählte er nichts, jedenfalls habe ich es nicht gehört. Vielleicht hatte er noch keine.«
    »Hat er etwas über seine vorherige Stelle gesagt? Was er da gemacht hat, warum er gekündigt hat?«
    »Nein, darüber hat er nicht gesprochen. Er erwähnte nur einmal, daß er in der Verwaltung des Ministeriums für Maschinenbau gearbeitet hat. Niemandem wäre es in den Sinn gekommen, ihn zu fragen, warum er diesen Posten verlassen hat. Hier ist die Bezahlung sehr gut . . . Wissen Sie«, sagte Swetlana und wurde plötzlich lebhaft, »da gab es etwas Witziges. Als er seine Sachen in den Schreibtisch einräumte, bemerkte ich so ein seltsames Ding, einen kurzen, dicken gläsernen Barren oder so etwas. Ich fragte ihn, was das sei, und er antwortete, daß dieses Ding genau siebenhundertsechsundfünfzig Gramm wiegt und daß dies das Idealgewicht für einen Gegenstand sei, den man dazu benutzt, um die frisch eingeklebten Fotos in den Passierscheinen zu beschweren. Das Maschinenbauministerium ist ja ein geschlossenen System, dort haben alle Leute Passierscheine. Wenn der Gegenstand zu schwer sei, sagte er, würde der Leim unter den Fotos hervorquellen, und wenn er zu leicht sei, würde das Foto schlecht halten und sich

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