Mit Zähnen und Klauen: Horror-Thriller von Bestseller-Autor Craig DiLouie (German Edition)
schrill, es klingt wie Spott.
Sie wendet sich dem Soldaten zu, der links neben ihr marschiert, einem großen, schlanken Jungen. Er gehört offensichtlich zu einer handverlesenen Einheit, die ihrem persönlichen Schutz dient.
»Wie heißen Sie?«, fragt sie leise.
»PFC Jon Mooney, Ma'am«, antwortet er rundheraus, wenn auch routinemäßig.
Sie streckt zaghaft eine Hand aus.
Er starrt darauf, ehe er sie mit seinem Handschuh umfasst und beherzt drückt.
»Ich passe auf Sie auf, Dr. Petrova.«
»Danke, Jon.«
Der Junge strahlt, als er seinen Vornamen hört.
»Ich bin Joel«, macht sich der Soldat rechts von ihr bemerkbar. »Möchten Sie ein Kit Kat , Lady?«
Petrova lächelt, schüttelt aber höflich den Kopf. Sie ist zu nervös, um etwas zu essen, und musste sich zudem tagelang mit dem Junkfood aus dem Automaten begnügen.
Mittlerweile haben sie mehrere Blocks hinter sich gelassen, ohne dass etwas vorgefallen ist. Doch ihr Weg ist noch weit, der Himmel wird immer heller, die Sonne zeigt sich am Horizont.
Die Bewohner der anliegenden Gebäude werden vom Lärm geweckt, den die Kolonne verursacht, und fangen an, von den Fenstern aus nach ihnen zu rufen. Einige bitten um Unterstützung dabei, einen Tollwütigen zu töten, der auf ihrer Treppe, dem Hausflur oder einem Nebenraum umgeht. Andere verlangen Nahrung, Wasser und Medikamente. Jeder will Neuigkeiten hören, egal welche.
»Sind Sie hier, um uns zu helfen?«
»Wer hat euch geschickt?«
»Ist es vorbei?«
Petrova sieht zu Boden und errötet bei dem Gedanken, dass man nichts für diese Leute tun kann. Die Armee zieht heimlich durch, um sich selbst in Sicherheit zu bringen und somit jeden Menschen hier einem voraussichtlichen Schicksal aus Leiden, Hunger und Tod zu überlassen.
Sie selbst hat hier gelebt. Mit diesen Menschen teilte sie Gehsteige und U-Bahnen, Restaurants, Museen, Parks, Taxen und Cafés sowie andere Alltäglichkeiten.
»Welcher Einheit gehören Sie an?«, fragt sie Mooney, um sich abzulenken. Instinktiv vertraut sie diesem sensibel wirkenden jungen Mann. Seine Augen leuchten im Gegensatz zu jenen der anderen noch, die zu viel Tod gesehen haben und zu einem gewissen Grad geworden sind, was Petrova verachtet: roboterhafte Killer, fähig zu gleichmütiger Massenhinrichtung. Bei den Kreaturen, die in den Straßen umherziehen, handelt es sich gewissermaßen um lebendige Tote. Einige dieser Soldaten sind zwar noch nicht gestorben, aber dennoch tot. Jon Mooney gehört nicht dazu; er ist Mensch geblieben. Das erkennt sie an seinen Augen.
»Gruppe 1, Zweites Platoon, Kompanie Charlie, Erstes Bataillon, achte Brigade, 57. Regiment, sechste Infanteriedivision. Man nennt unsere Brigade auch Crazy Eight, Ma'am. Wir sind im Wesentlichen alles, was von ihr übrig ist.«
»Die verrückte Achte«, murmelt sie leise vor sich hin.
»Genau.«
»Bei einer Truppe dieses Namens muss ich mich wohl in guten Händen befinden.« Mooney grinst. »Wir sind die Besten. Bei uns sind Sie sicher.«
»Welchen Codenamen trage ich?«
»Wie bitte?«
»Der Geheimdienst nannte Präsident Kennedy ›Lancer‹. So etwas muss es doch auch für mich geben.«
»Tut es tatsächlich. Sie heißen, äh … Doctor Killjoy.«
»Oh«, raunt sie.
»Diese Namen haben keine große Bedeutung, Ma'am. Man wählt sie nahezu willkürlich.«
»Schon in Ordnung«, erwidert sie. »Crazy Eight gefällt mir aber besser.«
Der Soldat lacht, während die Leute an den Fenstern über ihnen weiterrufen.
»Darf ich mitkommen?«
»Bleiben Sie länger hier?«
»Braucht ihr Kerle Unterstützung?«
Der Lärm hat schon ein paar Tollwütige angelockt, die rasch mit Bajonetten niedergestochen werden. Gleich darauf peitschen die ersten Schüsse los. Sie hallen über die Straße und durch die Betonschluchten, was wiederum dazu führt, dass noch mehr Infizierte aus ihren Verstecken kommen. Sie stürmen fauchend und brüllend aus Gassen, Seitenwegen und Gebäuden auf die Kolonne zu.
Petrova bemerkt, wie sich ihr Körper vor Furcht verkrampft. Sie drückt Mooneys Hand, während ihr Arm schlottert. Der Soldat lässt sie gewähren. Er blickt an den Häusern hoch und runzelt die Stirn angesichts der unvermittelt umgeschlagenen Atmosphäre. Auch er kann es hören – ein merkwürdiges Rumpeln, als trommle jemand in der Ferne gegen unzählige Pappkartons.
Die Zivilisten in den Fenstern schreien nun, panisch geradezu, und zeigen in Richtung Süden. Die Unteroffiziere im hinteren Teil des Zuges brüllen in
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