Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation
beschäftigt …
Zusätzliche Stimulanz – keine zusätzliche Stimulanz. Dieser vierte Verständlichmacher ist bislang wenig erforscht. Er dient zunächst als Sammelbecken für die unterschiedlichsten Stilmittel, um den Empfänger nicht nur intellektuell, sondern auch gefühlsmäßig anzusprechen – aus der Einsicht heraus, dass Lernen auch Spaß machen darf und dann eher bedeutsam ist, wenn es die ganze Person ergreift und nicht nur an seine oberste Hirnrinde adressiert ist.
Welche Stimulanz-Strategien verwende ich in diesem Buch?
Ich suche für jeden mir wichtigen Sachverhalt nach Beispielen aus meiner und der (vermuteten) Lebenswelt der Leser . Dies beginnt schon in der Einführung und setzt systematisch bei der Darstellung der vier Seiten der Nachricht ein («Du, da vorne ist grün!» – vgl. S. 28).
Ich benutze häufig sprachliche Bilder, die Analogien zu elementaren Grunderfahrungen aufweisen . Zum Beispiel, wenn ich sage, dass sich aus Phantasien sowohl Käfige als auch Brücken bauen lassen (s. S. 84). – Die Ausdrücke «Heim- und Auswärtsspiele» (s. S. 152f.) entnehme ich der Welt des Sports, um sie auf seelische Phänomene zu übertragen.
Ein großer Lehrmeister für diese Technik sind unsere Träume: Sie erfinden großartige, treffende Bilder für aktuelle seelische Sachverhalte. Wenn ich auf S. 149 vom «Deckel» (der Sachlichkeit) auf der «Schlangengrube» (der Emotionen) spreche, dann hätte ein solches Bild auch geträumt sein können.
Vom sprachlichen Bild zur graphischen Abbildung ist es nur noch ein kleiner Schritt. Wenn ich etwas erkläre, fertige ich gern kleine Zeichnungen dazu an . Ich selbst bin ein «visueller Typ», d.h., ich nehme vor allem den optischen Sinneskanal beim Lernen in Anspruch; bei den meisten meiner Hörer ist es genauso.
Abb. 52:
«Zusätzliche Stimulanz» und sein Gegenspieler «Keine zusätzliche Stimulanz» stellen sich vor.
Die Abbildung dient nicht nur der Stimulanz, sondern oft auch der Gliederung – Ordnung, indem sie eine gedankliche Struktur oder den Bauplan eines Textes sichtbar macht.
Manchmal personifiziere ich abstrakte Begriffe und lasse sie in wörtlicher Rede auftreten. So haben sich die Merkmale der sprachlichen Gestaltung als «Verständlichmacher» persönlich vorgestellt und in direkter Rede gesprochen (– überhaupt wähle ich häufig die direkte Rede).
Diese aus der Dichtung und Theaterwelt bekannte Methode erlaubt es, dass sich Instanzen «zu Wort melden», die in der seelischen Realität tatsächlich vernehmbar sind. So empfangen wir «Nachrichten» nicht nur von Personen, sondern auch von Einrichtungen und Institutionen. So mag ein «piekvornehm» eingerichtetes Wohnzimmer dem Gast signalisieren: «Hier darfst du nicht laut lachen, die Beine hochlegen oder dich sonstwie gehen lassen – benimm dich gesittet und sprich höflich und konventionell!»
Ein ergreifendes Beispiel las ich in einem Zeitungsartikel: Muller lässt «die Gesellschaft» zu ihren Jugendlichen sprechen (s. S. 219f.).
Gelegentlich, wenn auch nicht sehr häufig, spreche ich von mir selbst und bringe die Sachinformationen mit meiner Person in Verbindung; d.h., ich versuche zu vermitteln, wieso mir gerade diese Inhalte wichtig sind, wie ich darauf gekommen bin und was sie mir bedeuten. Diese Verbindung von Sachvermittlung und Selbstoffenbarung (s. Abb. 53) ist in der Wissenschaft eher verpönt – hier gilt das Ideal der objektiven Wahrheit, welche sich als unabhängig gültig von der sie entdeckenden und aussprechenden Person erweist. Ohne dieses Ideal zu verwerfen, scheint mir auf dem Weg dorthin jede Erkenntnis – mehr oder minder bewusst und eingestanden – die Handschrift des Erkennenden zu tragen, gehen in jeden Erkenntnisakt (auch in sog. objektive Experimente) eingestandene oder uneingestandene Voraussetzungen, besondere Blickwinkel und Ausblendungen ein. Der Wissenschaftler steht ja nicht außerhalb des zu entdeckenden Weltzusammenhanges, sondern ist – mittendrin – ein Teil davon, und jede seiner wahrheitssuchenden Handlungen geschieht unter dem Vorzeichen der Befangenheit aus Selbstbetroffenheit, jede seiner Handlungen hat Anlässe und Folgen in seiner persönlichen Lebenswelt, auch enthält jede seiner Handlungen eine Wertsetzung. Daher: Auch jede «wissenschaftliche Nachricht» enthält eine Selbstoffenbarungsseite – und es ist gewiss nicht unwissenschaftlich, diese kenntlich zu machen.
Abb. 53:
Die
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