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Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Titel: Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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Verbindung von Sachvermittlung und Selbstoffenbarung als Element des lebendigen Lernens.
    Besonders Vertreter der Humanistischen Psychologie treten für diesen Standpunkt ein und pflegen einen entsprechend persönlichen Publikationsstil. Zum Beispiel schreibt Carl Rogers (1979, S. 133):
«Es mag Ihnen merkwürdig vorkommen, daß ich so viel Persönliches von der Suche nach einigen einfachen und vorläufigen Formulierungen erzähle. Ich tue es, weil ich glaube, daß neun Zehntel der Forschung sich immer unter der Oberfläche verbergen; man sieht nur die Spitze des Eisberges, und das täuscht. Nur selten beschreibt jemand … das Ganze der Forschungsmethode, so wie es im Individuum existiert. Auch ich möchte etwas vom Ganzen der Untersuchung, etwas von dem, was sich in mir abspielte, und nicht nur den unpersönlichen Teil mitteilen.»
    Ebenfalls ist für Ruth Cohn jede wissenschaftliche Veröffentlichung auch eine Ich-Botschaft. In einem Aufsatz über Erlebnistherapien (1975, S. 97ff.) wählt sie ein Stilmittel, das sie «erlebendes Schreiben» nennt:
«Ich möchte dieses Papier über die Erlebnistherapien auch im Prozeß erlebenden Schreibens ausdrücken. Ich möchte versuchen, mit Euch Lesern in einen, zumindest imaginären, erlebnishaften Prozeß zu kommen. Und ich möchte, was ich im Hier-und-Jetzt erlebe, für das Thema, über das ich schreibe, auffangen.» (S. 98)
    Informationsvermittlung kann zu einem lebendigen, beseelten Vorgang werden, wenn das Mitgeteilte erkennbar im Persönlichen wurzelt, wenn die Trennung von Sache und Person, von Sach- und Beziehungsebene aufgehoben wäre. Die meisten Empfänger sind innerlich lernbereiter, wenn ihnen hinter dem Vorgetragenen die Person des Vortragenden hindurchleuchtet.
    2.3
    Die Messung der Verständlichkeit
    Wie lässt sich feststellen, in welchem Maße die vier Verständlichmacher in einem Text verwirklicht sind?
Der Wunsch, Verständlichkeit zu «messen», besteht schon lange. Der Amerikaner Flesch (1949) und nach ihm viele andere haben sogenannte «Lesbarkeitsformeln» vorgeschlagen: Zum Beispiel wurde die durchschnittliche Satzlänge und die durchschnittliche Wortlänge eines Textes ermittelt und zu einem Gesamtwert kombiniert. So wird ein objektiver Zollstock angelegt.
 
Jedoch zeigte sich, dass diese Werte sich nur wenig eigneten, um vorauszusagen, wie gut die Leser den Text verstehen würden. Das ist auch kein Wunder. Denn erstens müssen lange Sätze und lange Wörter ja nicht schwerverständlich sein. Das hängt ab von vielen Begleitumständen, z.B. von der grammatischen Bauweise der Sätze oder davon, ob unbekannte (und damit oft lange) Wörter erklärt werden oder nicht. Der objektive Zollstock ist blind für solche Begleitumstände. Zweitens sind mit solchen auszählbaren Merkmalen nur einige Aspekte von «Einfachheit», dem ersten Verständlichmacher, erfasst. Alles andere, z.B. Übersichtlichkeit und innere Folgerichtigkeit, fällt unter den Tisch. Ein Zollstock versagt hier. Hier bedarf es eines menschlichen Gehirns, das mitzudenken in der Lage ist.
    Daher haben wir einen ganz anderen Weg eingeschlagen: Für jeden Verständlichmacher ist eine «Messlatte», eine Skala mit fünf Abstufungen, vorgesehen:

    Abb. 54:
    Die vier Dimensionen der Verständlichkeit mit ihren Messskalen (die dick umrandeten Skalenstufen sind für gute Allgemeinverständlichkeit am günstigsten).
    Die Messung geht nun so vor sich: Geschulte Beurteiler bilden sich beim Lesen ein Eindrucksurteil für jeden Verständlichmacher. Dann vergeben sie vier Werte – einen Wert für jede Skala. Das Ergebnis dieses «Warentests» wird in ein vierteiliges «Verständlichkeitsfenster» eingetragen, z.B.:

    Abb. 55:
    Mögliches Ergebnis einer Verständlichkeitsdiagnose (links die Anordnung, rechts die Eintragung der Werte – vgl. Abb. 54).
    In Worten ausgedrückt lautet diese Verständlichkeitsdiagnose:
«Der Text ist recht einfach in der Formulierung (wenn auch nicht extrem einfach, d.h. man könnte denselben Sachverhalt noch etwas einfacher erklären). Dagegen fehlt es an Übersichtlichkeit und Klarheit der Zusammenhänge. Der Inhalt wird weder besonders gedrängt und kurz noch besonders weitschweifig erklärt. Die Darstellungsweise enthält sehr viele (zu viele) Anregungselemente.»
    Vielleicht wird es eines Tages zur Pflicht gemacht werden, Bücher und Artikel mit einem Verständlichkeitsfenster zu versehen – das wäre ein sinnvoller «Verbraucherschutz» und zugleich ein

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