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Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Titel: Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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«Zutagefördern» beginnt mit der inneren Frage: «Was ist mir jetzt und in dieser Situation mit dir wichtig?» Das Ernstnehmen dieser Frage macht das Thema zu einem wirklichen Treffpunkt (s. Abb. 47 a), es ergibt sich aus mir und der Verbindungslinie zwischen dir und mir und ist somit «stimmig» (vgl. S. 137f.). Andernfalls entsteht bei betriebsamen «Pilzgesprächen» ein halbherziges Beisammensein mit dem schalen Geschmack von Belang- und Kontaktlosigkeit.

    Abb. 47 a:
    Thema als Treffpunkt.

    Abb. 47 b:
    Thema als Pseudo-Treffpunkt.
    Das Auffinden von wirklichen Treffpunkten ist heute erschwert, wie aus den Überlegungen zur «dritten Sache» hervorgeht. Und doch hängt das Schicksal der privaten Beziehungen zwischen Lebenspartnern, Eltern und Kindern, Freunden von der Fähigkeit ab, die gemeinsamen Themen zu entdecken – mag es im äußersten Fall auch nur lauten: «Wir leben in verschiedenen Welten und haben uns auseinanderentwickelt, haben kaum gemeinsame Berührungspunkte – was liegt uns dennoch aneinander?»
    2.
    Verständlichkeit    [3]
    Die Schwerverständlichkeit von Schulbüchern, Vertragstexten, amtlichen Verordnungen, von Fernsehdiskussionen, politischen Kommentaren und der wissenschaftlichen Berichterstattung ist oft beklagt und selten gemindert worden.
    Und sei es nun «Amtsdeutsch» oder «Soziologen-Chinesisch»: Nie weiß man so ganz genau, ob die mangelnde Allgemeinverständlichkeit «in der Natur der Sache» begründet liegt, ob eine unterentwickelte Kommunikationsfähigkeit der Autoren vorliegt oder ob ein Stück Imponiergehabe der Fachleute eine Rolle spielt, das auf die Ehrfurcht des unkundigen Empfängers abzielt. Meine Vermutung: Teils – teils – teils.
    Jedenfalls sind weite Kreise der Bevölkerung, insbesondere sprachlich benachteiligte Gruppen mit Volksschulbildung, ständig Misserfolgserlebnissen ausgesetzt: Sie verstehen wenig, werden mutlos und lassen schließlich «die Finger davon»; d.h., sie geben den Wunsch, sich zu informieren, allmählich auf.
    Diese Erscheinung passt nicht in die Demokratie. Mündig ist nur, wer sich informieren kann. Hinzu kommt, dass die Empfänger meist sich selbst für dumm halten, sodass schwer verständliche Information nicht nur nicht informiert, sondern darüber hinaus das Selbstwertgefühl des Empfängers beschädigt.
    Was kann getan werden? Sender und Empfänger müssen beide lernen. Der Empfänger muss vor allem lernen, die Ehrfurcht zu verweigern (s. Abb. 48) und selbstbewusst auf seinem Recht auf verständliche Information bestehen.

    Abb. 48:
    Der ehrfürchtige Empfänger schwer verständlicher Nachrichten.
    Was der Sender lernen kann, ergibt sich aus unseren Forschungsergebnissen und Trainingsanleitungen (Langer, Schulz von Thun und Tausch 1981) – über unser «Hamburger Verständlichkeitskonzept» wird dort ausführlich berichtet –, ich gebe deswegen hier nur einen kurzen Einblick.
    2.1
    Vorschau auf das Kapitel «Verständlichkeit»
    Auf folgende vier Fragen möchte ich in diesem Kapitel auf Grund unserer Forschung eine Antwort geben:
     
Was ist Verständlichkeit? Die Antwort wird lauten: Es ist eine Eigenschaft von Informationstexten, die in vier Bereiche zerfällt. Entsprechend werden wir vier «Verständlichmacher» kennenlernen. Sie heißen: Einfachheit, Gliederung – Ordnung, Kürze – Prägnanz und zusätzliche Stimulanz.
Kann man Verständlichkeit messen? Ja. Jeder Text (oder Vortrag usw.) erhält dann vier Messwerte – einen für jeden Verständlichmacher. Es ist eine Art «Warentest», der hier durchgeführt wird. In etwa fünf Stunden kann man lernen, einen solchen Test durchzuführen.
Lassen sich Texte aller Art verständlicher gestalten, sodass die Leser mehr verstehen und behalten? Antwort: Ja. Wenn die Verständlichkeitsdiagnose auf Mängel hinweist, kann der Text bei gleichem Informationsziel verständlicher gemacht werden. Es zeigte sich in Experimenten, dass bei den Lesern viel mehr Information ankommt. Außerdem haben sie mehr Interesse für den Inhalt und mehr Spaß beim Lesen. – Diese Ergebnisse zeigten sich bei Lesern aller Schulbildungen.
Verständlich informieren – kann man das lernen? Zunächst eine Gegenfrage: Will man es lernen und damit u.U. auf den Prestigegewinn verzichten, der sich mit gelehrsamer Schwerverständlichkeit erzielen lässt? Jetzt die Antwort: Wer es lernen will, kann erheblich vorankommen. Guter Wille und ein paar Ratschläge reichen allerdings nicht aus.

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