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Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Titel: Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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so gereizt, so vorsichtig oder so distanziert?») – s. Abb. 73.

    Abb. 73:
    Unterbrechung der Sachauseinandersetzung und Einleitung einer expliziten Beziehungsklärung.
    6.1
    Die Beziehungsklärung
    Solche Beziehungsklärungen sind heikel und unüblich. Im Zustand schwer entwirrbarer Verflochtenheit ist deshalb häufig die Einbeziehung eines Kommunikationspsychologen als «Entflechtungshelfer» anzuraten – dies gilt für Paare und Familien ebenso wie für Kollegien und Arbeitsgruppen. Das Einwirken des Kommunikationspsychologen besteht – neben der Gewährleistung atmosphärischer Bedingungen – in Folgendem:
     
Zu expliziten Beziehungsaussagen ermutigen (Sachargumente unterbinden)
Hebamme zu sein für «dahinterliegende» Ich-Botschaften
Zum Ausdrücken von Wünschen und offenen Appellen ermutigen (Blick nach vorn, statt zurück im Zorn)
    Diese interventionsleitende Schrittfolge lässt sich am Nachrichten-Quadrat gut bezeichnen (s. Abb. 74).

    Abb. 74:
    Schrittfolge kommunikationspsychologischer Intervention zur Förderung von Beziehungsklärungen.
    Das Vorgehen sei an einem Beispiel angedeutet. Nehmen wir noch einmal die kleine Szene zwischen Mutter und Tochter (S. 52f.). Vorausgegangen war Mutters Ermahnung, eine Jacke anzuziehen, die patzige Reaktion der Tochter auf der Sachebene («Ist doch gar nicht kalt!») und der Sach-Zank um Temperaturen. Folgendermaßen könnte die Beziehungsklärung zwischen Mutter (M) und Tochter (T) mit Hilfe eines Kommunikationspsychologen (Kps) anfangen:
    Kps: «Ich merke, ihr seid beide aufgebracht und es ist etwas dicke Luft. Vielleicht sagt ihr mal direkt, was euch querliegt. (Zur Mutter): Wollen Sie anfangen?»
    M: «Immer dieser patzige Ton und immer will sie schlauer sein und alles besser wissen!»
    Kps (zu T): «Und was stört dich?»
    T: «Immer diese Bevormundung! Als ob ich nicht selbst weiß, was ich anzuziehen habe! (Zu M): Was geht dich das denn an?»
    M: «Ich bin schließlich immer noch deine Mutter!»
    T: «Ph!» (Wegwerfende Handbewegung) – Schweigen.

    Zwischen-Kommentar: Der Streit ist von der Sachebene weggekommen und findet nun dort statt, wo er hingehört: auf der Beziehungsebene (1). Das nächste Ziel muss sein, von den gegenseitigen Beschuldigungen wegzukommen und die dahinterliegenden Ich-Botschaften (vgl. Abb. 74) zutage zu fördern (2).

    Kps (zu T): «Darf ich einmal etwas für dich sagen? – Du sagst dann, ob es für dich stimmt?»
    T nickt.
    Kps (tritt hinter T und spricht für sie): «Ich fühle mich dann wie ein kleines Kind behandelt, dem man alles sagen muss. Ich möchte als erwachsener Mensch für mich selbst entscheiden, und es ist mir sehr wichtig, von dir (M) zu spüren, dass du mir das zutraust – (zu T): Stimmt das?»
    T: «Ja, genau.»

    Zwischen-Kommentar: Dies ist eine kommunikationspsychologische Hilfstechnik: das sog. «Doppeln» (auch «Alter-Ego-Technik»). Der Kps tritt hinter jeweils einen Gesprächspartner und drückt (als Ich-Botschaft) aus, was er mit seinem Selbstoffenbarungs-Ohr (vgl. S. 59) zwischen den Zeilen herausgehört hat. Wichtig ist natürlich, dass er die Gesprächspartner gleich behandelt, sodass nicht der Eindruck einer Koalition entstehen kann.

    Kps (zu M): «Wenn Sie das nun hören, wie reagieren Sie darauf?»
    M: «Ach ja, erwachsen wollen sie alle sein, aber die Pflichten, die dann auch damit zusammenhängen, die will keiner übernehmen!»
    Kps: «Sie sprechen jetzt über Kinder im Allgemeinen – wen meinen Sie direkt?»
    M: «Ja, auch Renate, und alle gehen ihrer Wege …»
    Kps: «Wer sind jetzt ‹alle›?»
    M: «Die ganze Familie! Winfried (= der Bruder) und Vater ganz genauso – (aufgebracht) das ist überhaupt keine Familie mehr!»
    Kps: «Es scheint, als ob wir da auf einen neuen Punkt Ihrer Beziehung gekommen sind und dass Sie dieser Punkt sehr bewegt.»
    M seufzt.
    Kps (zu M): «Darf ich etwas für Sie sagen?» (M nickt, Kps tritt hinter M und blickt T an)
    «Wenn ich sehe, wie ihr alle eurer Wege geht, dann fühle ich mich ganz überflüssig und weiß gar nicht, was ich hier noch soll. (Zu M): Stimmt das?»
    M: «Na ja, teilweise schon – ich meine, ich soll ja schon Essen kochen, Wäsche waschen, dazu bin ich ja noch … ich meine …»
    Kps: «… gut genug, wollten Sie sagen?»
    M: «Ja, erwachsen wollen sie immer sein, aber die Pflichten …»
    Kps (zu M): «Darf ich noch mal für Sie sprechen?» (M: «Ja!», Kps tritt hinter sie)
    «Ich fühle mich in meiner

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