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Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Titel: Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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auch: elf Monate nach Beginn dieser Sonderaktion brachte mir Friedrich den Entwurf eines abgeänderten Zylinderkopfes, der bei einem Vier-Zylinder die PS-Leistung um 10 % erhöhte, ohne erhöhten Kraftstoffverbrauch! Mittlerweile laufen mehrere Test-Motoren, und Friedrichs Behauptungen haben sich voll bestätigt: die Leistungssteigerung schwankt zwischen 9,4 und 9,8 %. Als Friedrich dieser erste Durchbruch gelungen war, bat er mich, an diesem Projekt weiterarbeiten zu dürfen. Ihm unterstehen insgesamt neun Herren, davon zwei Konstrukteure mit Hochschulbildung, drei Detailkonstrukteure und vier technische Zeichner. Als Chef wird Friedrich von seinen Mitarbeitern einzig wegen seiner außerordentlichen konstruktiven Begabung geschätzt. Sie nennen ihn den ‹Dandy›, weil er nur in Maßanzügen geht und einen teuren italienischen Sportwagen fährt.
 
Friedrichs Abteilung kostet mich an Gehältern rund 230000 Mark pro Jahr. Das Problem für mich lautet also: übertrage ich Friedrich eine neue Aufgabe – und wir haben an derlei technischen Problemen keinen Mangel –, oder lasse ich ihn mit seiner Abteilung ein weiteres Jahr das Brennkammerproblem bearbeiten? Ich entschied mich für die zweite Lösung – und das war mein Fehler. Warum?
 
Friedrich überraschte mich nach weiteren sechs Monaten mit einer geradezu revolutionären Idee in der Umgestaltung von Zylindern, Brennkammern und Kolbenprofilen, die den Kraftstoff dieses Motors auf 50 % drosseln würde! 50 % weniger Kraftstoff bei gleicher Leistung!
Ich muß zugeben, daß mich dieses Projekt zunächst faszinierte; vor allem deshalb, weil ich ja selbst einmal Motorenkonstrukteur war. Aber ich mußte Friedrich diese Idee madig machen. Ich sagte ihm wörtlich, daß dieser Motor nie gebaut würde. Der Hauptaktionär unserer Gesellschaft sei gleichzeitig der größte Aktionär der neuen bayerischen Erdölraffinerien, auf die wiederum unser Wirtschaftsminister besonders stolz sei … Kurz gesagt: die wirtschaftlichen Interessen und die Macht der Erdölkonzerne würden den Bau eines derartigen Motors auf jeden Fall verhindern.
 
Friedrich meinte, dann würde er seine Idee eben einer anderen Firma, z.B. einer japanischen, anbieten. Ich wies ihn darauf hin, daß er laut Anstellungsvertrag jede im Hause gemachte Erfindung erst anderweitig verwenden dürfe, wenn die Firma 5 Jahre lang keinen Gebrauch davon gemacht hätte. Diese fünf Jahre müsse er erst mal abwarten … Mittlerweile habe ich Friedrich mit einer neuen Aufgabe betraut. Äußerlich hat er sich ein glattes, höfliches, dabei aber unpersönliches Benehmen zugelegt. Innerlich kocht es bei ihm, das ist mir klar. Und vergangene Woche hatte ich bei der routinemäßigen Montag-Besprechung aller Abt.-Leiter erstmalig den Eindruck, als ob der übermüdet wirkende Friedrich eine leichte Alkoholfahne mit sich führte.
Und nun frage ich Sie: was könnte ich tun, um diesen erstklassigen Konstrukteur so zu motivieren, daß er weiterhin mit Volldampf für unsere Firma arbeitet?›
 
Welche Antwort würden Sie – auf Grund der im ersten Kapitel erworbenen psychologischen Kenntnisse – diesem Teilnehmer geben?» (Birkenbihl 1973, S. 33f.)
Lösung der Test-Aufgabe Nr. 1 (ebd., S. 193f.)
«Wenn wir etwas über Friedrichs Persönlichkeitsstruktur sagen wollen, müssen wir uns die in der Fallstudie gegebenen Informationen ins Gedächtnis zurückrufen:
 
Friedrich ist ein fanatischer Arbeiter, der sogar einen beträchtlichen Teil seiner Freizeit im Konstruktionsbüro verbringt. Er ist nicht verheiratet und hat nicht einmal eine Freundin; sicherlich hat er auch keinen Freundeskreis, sonst würde er seine Freizeit dort verbringen. Von seinen Mitarbeitern wird er nur als Fachmann geschätzt – im übrigen ist er für sie der ‹Dandy›.
 
Psychologisch gesehen ergibt sich das Bild eines Menschen mit einem ausgeprägten Minderwertigkeitskomplex, d.h. mit einem sehr geschwächten Selbstwertgefühl. Sein ganzes Bestreben geht nur dahin, seiner Mitwelt zu beweisen, wie tüchtig bzw. genial er ist.
 
Ohne Zweifel hat Friedrich in seiner Kindheit und Jugend zu wenig ‹Streicheleinheiten› erhalten. D.h., er wurde nie gelobt; vielleicht ließen ihn seine Eltern ‹links liegen› oder unterdrückten seine Persönlichkeitsentwicklung durch eine autoritäre und repressive Erziehung. Wie die Dinge liegen, ist Friedrich reif für eine psychotherapeutische Behandlung.
 
Wie wir gehört haben, ist zur Entwicklung eines

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