Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation
Funktion wichtig genommen – z.B. den Haushalt zu versorgen – aber menschlich fühle ich mich nicht beachtet, und das macht mich traurig. – (Zu M): Stimmt das?»
M: «Ja, das stimmt.»
Kps: «Euer Konflikt stellt sich mir jetzt als eine Sache der ganzen Familie heraus. Am besten wäre, wenn nächstes Mal alle dabeisein könnten. – Renate, wie ist das für dich, wenn du das von der Mutter hörst?»
Kommentar: Brechen wir hier die Beziehungsklärung ab. Der Anfangskonflikt zwischen Mutter und Tochter hat sich – wie so oft – als Eisbergspitze von etwas «Darunterliegendem» herausgestellt. Mutter und Tochter fangen an, auf dieser tieferen Ebene miteinander in Kontakt zu kommen. Auf dieser Ebene werden noch andere tiefere Gefühle aufkommen, als sie bei der Eisbergspitzen-Kommunikation aufzutreten pflegen. Diese anderen Gefühle haben wieder wechselseitig gefühlsmäßige Auswirkungen auf den Partner, sodass sich die Beziehung auch ohne Abmachungen und planvolles Eingreifen ändert. Trotzdem wird es im Fortgang des Gesprächs auch darum gehen, aus der Klärung der Gefühle konkrete Wünsche/Appelle abzuleiten, also den Schritt (3) gemäß Abb. 74 zu vollziehen. Hier bekommt das Gespräch dann mehr Verhandlungscharakter; zum Umgangsstil mit offenen Appellen siehe ausführlich S. 291ff.
Ferner hat sich – ebenfalls wie so oft – herausgestellt, dass die Beziehungsstörung zwischen Mutter und Tochter nur ein Teilstück einer umfassenden Problematik der gesamten Familie darstellt. Dies war ja der Grundgedanke der «systemorientierten» Betrachtungsweise (vgl. S. 97ff.): Dass es oft verfehlt ist, den «Symptomträger» zu behandeln – eben weil sich in ihm nur die Störung des Systems zeigt.
7.
Funktionalisierung der Beziehungsebene
(oder: «Versuchen wir es doch mal mit Menschlichkeit!»)
Die Erkenntnis, dass sachliche Zusammenarbeit nur dann möglich und effektiv ist, wenn die Beziehungsebene stimmt – diese Erkenntnis enthält eine große Verführung: das Beziehungsgeschehen zu manipulieren, um es in den Dienst der Effektivität und der menschlichen Verfügung zu stellen, etwa nach folgendem Motto: «Mitarbeiter arbeiten besser und williger, wenn man sie freundlich und wertschätzend behandelt und ihnen das Gefühl von Mitverantwortung gibt. Also werden wir unsere Vorgesetzten in ein ‹Human-Relation-Training› schicken, damit sie diesen Stil ‹draufhaben› und ihre Mitarbeiter optimal und zeitgemäß zu motivieren lernen.»
Zu was für menschenverachtenden Konsequenzen eine solche Haltung führen kann, zeigt das «Kleine Arbeitshandbuch für Ausbilder und Dozenten» von Birkenbihl (1973), zugleich ein besonders übles Beispiel dafür, wie Psychologie sich in den Dienst der Manipulation und inhumaner Tendenz stellen kann. Als Beispiel sei eine Test-Aufgabe angeführt, an Hand welcher der Leser (= potenzieller Berater) seine Fähigkeit überprüfen soll, die gelernte Psychologie für praktische Fälle anzuwenden. – Anschließend dann die von Birkenbihl vorgeschlagenen «Lösungen».
«Test-Aufgabe Nr. 1
Der Wert eines Seminarleiters erweist sich spätestens in jenem Augenblick, in dem der erste Teilnehmer ein Problem aus der Praxis auf den Tisch wirft; mit der Bitte an Sie, verehrter Dozenten-Kollege: ‹Wie soll ich mich diesem Mitarbeiter gegenüber in Zukunft verhalten? Was würden Sie an meiner Stelle tun?›
Hier ist die Erzählung des Seminarteilnehmers: ‹Ich bin Haupt-Abt.-Leiter in einer Automobilfirma, und zwar im Sektor T2, d.h. in der Motorenkonstruktion. Einer meiner Abt.-Leiter, ein gewisser Friedrich, macht mir seit etwa zwei Monaten Sorgen. Friedrich ist mit 34 Jahren einer unserer jüngsten und begabtesten Konstrukteure. Er kam vor drei Jahren zu uns, nachdem er die ersten zwei Jahre nach dem Studium in der Konstruktions-Abt. einer angesehenen Zahnradfabrik gearbeitet hatte. Seit etwa 18 Monaten haben wir ihn mit einer Sonderaufgabe betraut, nämlich mit der Verbesserung der Brennkammer im Zylinderkopf. Friedrich, der ungeheuer ehrgeizig ist, stürzte sich kopfüber in die Arbeit. Er ist übrigens unverheiratet und scheint nicht mal eine Freundin zu haben, obwohl er gut aussieht und bei uns exzellent bezahlt wird. Er verbrachte einen großen Teil seiner Freizeit im Werk; oft machte er bis abends zehn Uhr Überstunden, die ihm auch von mir immer kommentarlos genehmigt wurden. Ich war sicher, bei Friedrichs Arbeit kommt eines Tages etwas heraus. Und so war es
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