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Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Titel: Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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oft nicht entgegenkommt – zumindest nicht den vordergründigen Erwartungen. Aus einer Arbeitswelt kommend, in der zählt, wer «sich verkaufen» kann und die Oberhand behält, erwarten sie vom Psychologen Tricks und Fähigkeiten, um jederzeit Herr der Lage zu sein.
    Auf der anderen Seite gibt es auch eine große Sehnsucht nach offener mitmenschlicher Verständigung und eine Müdigkeit, den hektischen Wettstreit der Selbstdarstellungen und des Auftrumpfens, des Taktierens und Manipulierens weiter mitzumachen. – So scheiden sich dann die Geister, und oft geht es hoch her dabei. Letztlich muss – im Sinne der persönlichen Stimmigkeit (s. S. 137) – dann jeder selbst seine Balance zwischen Ausdrucks- und Wirkungsorientierung finden.
    2.
    Von der Erfolglosigkeit mancher Appelle
    Der appellierende Sender muss oft feststellen, dass sein Einfluss auf den Mitmenschen sehr begrenzt ist. Dies wäre dann nicht weiter erstaunlich, wenn der Empfänger dazu gebracht werden sollte, etwas zu tun, was gar nicht in seinem Interesse läge. Ein psychologisches Problem aber scheint dann vorzuliegen, wenn «gut gemeinte» Appelle wirkungslos verhallen oder gar Widerstand hervorrufen. Ich bespreche im Folgenden einige Faktoren, die dazu beitragen, dass der Empfänger für Appelle teilweise sehr unempfänglich ist. Später wird zu zeigen sein, dass der Sender in Kenntnis dieser Faktoren allerlei Kunstfertigkeiten entwickelt, die Hürde des Appellwiderstandes zu umgehen – indem er nämlich Schleichwege und paradoxe Wege nimmt.
    2.1
    Beziehungsbedingte Appell-Allergie
    Die Wirksamkeit eines Appelles hängt stark mit der Beziehung zwischen Sender und Empfänger zusammen. Ganz deutlich wurde dies am Beispiel der Mutter und der Tochter (s. S. 52f.): Die Tochter widersetzte sich nicht deshalb dem Appell («Zieh dir ’ne Jacke an»), weil sie ihn unvernünftig fand oder weil er ihren Interessen nicht entsprach, sondern sie widersetzte sich ihm nur deshalb, weil sie von der Mutter keine derartigen Appelle akzeptierte. – Nachrichten sind quadratisch – und wenn der Appell eine umstrittene Beziehungsdefinition im Schlepptau hat, besteht ihre Zurückweisung («Ich lasse mir von dir keine Vorschriften machen, habe keine Lust, nach deiner Pfeife zu tanzen!») nicht selten im Widerstand gegen den Appell. Dieser Widerstand, der auch die trotzige Form des «Nun-gerade-nicht!» annehmen kann, dient sozusagen der Ehrenrettung des Empfängers auf der Beziehungsseite.
    Langer drückt es so aus: «Mit jedem Appell betrittst du ein Königreich!» – nämlich das Reich der Freiheit und Selbstinitiative des anderen. Das Bemühen des Empfängers, sein «Königreich» zu verteidigen, ist als «Reaktanz» sozialpsychologisch vielfach untersucht worden. In Erziehung und Partnerschaft gibt es viele reaktanzerzeugende Eingriffe in das Königreich des anderen. Vor allem, wenn das Königreich der eigenen Persönlichkeit klein ist, entsteht leicht eine Tendenz, dem anderen in vieles «hineinzureden», das Bemühen, die eigenen Vorstellungen dem anderen als Richtschnur aufzudrängen.
    Übrigens hat die Appell-Allergie des Empfängers ein Gegenstück bei vielen Sendern: In der Angst, «autoritär» zu erscheinen, haben manche Erzieher, Lehrer, Vorgesetzte eine Scheu, Befehle zu geben und klare Anweisungen zu erteilen – auch wenn dies von der Situation her angemessen und rollengemäß ist. Dies führt dann leicht zu einer pseudo-demokratischen, durchaus unklaren und verwirrenden Kommunikation. Statt «Mach jetzt das und das!» klingt es dann oft «Vielleicht wäre es eine Möglichkeit, dass wir …» – Wenn das demokratische Angebot nicht stimmig ist mit dem Charakter der Situation und der Konstellation der Rollen, dann führt es zu einer allseitigen Kommunikationsverwirrung und Ratlosigkeit.
    2.2
    Appelle als untaugliches Mittel für «tiefgreifende» Änderungen
    In vielen Fällen bleiben Appelle deswegen erfolglos, weil sie ein prinzipiell untaugliches Mittel zur Lösung des Problems darstellen. Angenommen, ein Mann ist sehr eifersüchtig und überwacht seine Frau misstrauisch auf Schritt und Tritt. Sein Freund rät ihm: «Du darfst nicht so eifersüchtig und misstrauisch sein! Davon geht eine Ehe kaputt.» Dieser Ratschlag ist zwar gut gemeint, dennoch eine ganz untaugliche Hilfe. Die Eifersucht sitzt zu «tief in den Knochen», als dass der Mann sie wie einen alten Hut ablegen könnte.
    Genauso in dem folgenden Beispiel: Eine Angestellte

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