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Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Titel: Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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streng erzogen – damit aus ihnen anständige Menschen werden, hat er sie häufig geschlagen, wenn es ihm angebracht erschien. Auf einem Vortrag hört er nun die Auffassung eines Pädagogen: «Die Prügelstrafe demütigt das Kind und verstärkt seine Minderwertigkeitsgefühle. Leicht entsteht eine ängstliche und feindselige Haltung gegenüber der Umwelt, und am Vorbild des Erziehers lernt das Kind, gegenüber Schwächeren Gewalt anzuwenden.» – Herr Marder ist sehr aufgebracht, als er das hört. «Haben Sie eigentlich selber Kinder?», fragt er den Vortragenden. «Solche Weisheiten vom grünen Schreibtisch haben doch mit der Praxis nichts zu tun.» Drittes Beispiel: Herr Ratte hat sich einen neuen Wagen der Marke X-Luxus gekauft. Ein Kollege sagt zu ihm: «Ich habe jetzt gehört, der neue X-Luxus soll noch ziemlich viele Kinderkrankheiten haben.» Herr Ratte: «Ach, weißt du, geredet wird viel. Wer sagt denn das?» Der Kollege: «Ich glaube, Schulze sagte so etwas.» Herr Ratte: «Was hat Schulze schon Ahnung von Autos! Der ärgert sich doch nur, weil er mit seiner X-510 so reingefallen ist!» Ein anderer Kollege: «Ich habe gelesen, dass der X-Luxus in einem Test recht gut abgeschnitten hat.» Herr Ratte: «Ah, hochinteressant – könnten Sie mir den Artikel mal mitbringen?»
    Worin liegt das Gemeinsame in allen diesen Beispielen? In allen Fällen stand der Inhalt der Nachricht in Widerspruch zu bestimmten Verhaltensweisen oder Überzeugungen des Empfängers. Der Appell, der in den Nachrichten steckte, war entweder schwer zu befolgen (z.B. Rauchen aufgeben) oder aber konnte überhaupt nicht befolgt werden, weil das (gemäß der Nachricht) «falsche» Verhalten bereits vollzogen und nicht mehr rückgängig zu machen war (z.B. Auto X-Luxus kaufen oder Kinder prügeln). Man spricht von einer kognitiven Dissonanz , in die der Empfänger gerät – die neue Nachricht passt ihm nicht in den Kram. Was gut in den Kram passt, das sind Nachrichten, die den eigenen Lebensstil und die eigenen Handlungen als gerechtfertigt und «gut» erscheinen lassen. So wird der Reiche, der in Saus und Braus lebt, empfänglich sein für Nachrichten, die den Erfolg eines Menschen auf seine Tüchtigkeit und seine Anstrengungen zurückführen. Und er wird sehr unempfänglich sein für Nachrichten, die den privaten Reichtum als Resultat ungerechter gesellschaftlicher Verhältnisse ansehen. Der Empfänger hat große Augen und große Ohren für alles, was seine Art zu leben und zu handeln rechtfertigt. Alles andere wehrt er ab oder deutet es in seinem Sinne um. Schon die Wahrnehmung tritt hier in den Dienst der Sicherung des Seelenfriedens, genauso der Verstand und die Art zu kommunizieren.
    Welche Möglichkeiten hat der Empfänger, mit dissonanzerzeugenden Nachrichten umzugehen? Es gibt drei Möglichkeiten: 1. Die Dissonanz aushalten und bestehen lassen; eine selten gewählte Lösung, denn der gestörte Seelenfrieden versetzt den Empfänger in einen recht quälenden Zustand. 2. Das Verhalten bzw. die alte Überzeugung ändern, sodass eine Übereinstimmung mit der dissonanzerzeugenden Nachricht und ihrem Appell erreicht wird; also z.B. das Rauchen aufzugeben. Dies ist, wie jeder Raucher weiß, nicht einfach. Gerade «eingefleischte» Verhaltensweisen lassen sich nicht leicht ändern. Und bereits vollzogene Verhaltensweisen lassen sich gar nicht wieder rückgängig machen (das Auto X-Luxus kann nicht mehr umgetauscht werden). 3. Widerstand gegen die Nachricht und ihren ärgerlichen Appell. Hierzu stehen dem Empfänger verschiedene Abwehrmaßnahmen zur Verfügung: Er kann versuchen, unliebsame Nachrichten einfach zu überhören. Dazu eignet sich auch das Vermeiden von solchen Situationen, in denen mit hoher Wahrscheinlichkeit dissonanzerzeugende Nachrichten gesendet werden. Ein alter Sozialdemokrat besucht so leicht keine CDU-Wahlveranstaltung, ein Konservativer stellt keine Fernsehsendungen an, die als «links» gelten usw. Und Leuten, die ganz andere Ansichten vertreten und einen ganz anderen Lebensstil propagieren, geht man tunlichst aus dem Wege.
    Für den Fall, dass man sich dissonanzerzeugenden Nachrichten nicht entziehen kann, gilt es, gut gerüstet zu sein: Informationen und Gegenargumente parat zu haben, die den Sender «widerlegen». Manche Sachauseinandersetzung, manche «Diskussion» lebt von der Hartnäckigkeit der Kontrahenten, denen es vor allem um ihren dissonanzfreien Zustand geht.
    Wenn alles nichts hilft, lässt sich der

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