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Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Titel: Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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ihre ganze Substanz einbüßen, sobald sie appellgemäß erfolgen. Dieses ist regelmäßig dann der Fall, wenn es sich um Handlungen oder Verhaltensweisen handelt, die ihrem Wesen nach spontan erfolgen, also nur freiwillig, aus eigenem Antrieb heraus vollzogen werden können. Man spricht von einer «Sei-spontan-Paradoxie» (Watzlawick u.a. 1974), wenn ein Sender an einen Empfänger den Appell richtet, eine solche – ihrem Wesen nach spontane – Handlung auszuführen.
    Beispiel: Ein Mann brachte seiner Frau nur selten Blumen mit – und wenn, dann nur, wenn sie ausdrücklich darum gebeten hatte. Nun sagt sie: «Ich möchte, dass du mir auch mal freiwillig, von dir aus, Blumen mitbringst!» Ein appellgemäßes Verhalten ist dem Mann gerade durch den Appell unmöglich gemacht worden.
    Dass alle Motive und Gefühle ihrem Wesen nach Spontan-Verhaltensweisen sind, ist eine Tatsache, die von appellierenden Sendern häufig unbeachtet bleibt. Man kann von jemandem verlangen, dass er die Kohlen aus dem Keller holen solle – man kann von ihm nicht verlangen, dass er es gern tun solle! – «Du sollst mich lieben!» ist eine unmögliche Forderung.
    Wie oft versuchen wohlmeinende Sender dem armen Empfänger negative Gefühle auszureden. Um den Melancholischen «aufzuheitern», führen wir ihm die schönen Seiten des Lebens vor Augen. Dieser wird dadurch noch trauriger, da er nun sieht, wie «unvernünftig» seine Reaktionen sind. «Sei doch nicht so traurig (wütend, empfindlich, hasserfüllt, eifersüchtig usw.)!» ist ein Appell, der nicht nur untauglich für die gewünschte Veränderung ist, sondern paradoxerweise eher das Gegenteil bewirkt. Dieser Umstand (das Erwirken des Gegenteils) lässt sich in bestimmten Fällen therapeutisch nutzen – ich komme darauf zurück (s. S. 282f.).
    Untaugliche an sich selbst gerichtete Appelle. Unfruchtbare, eine eher gegenteilige Wirkung erzielende Appelle richten wir zuweilen nicht nur an andere, sondern auch an uns selbst. Etwa wenn wir von uns selbst verlangen, fröhlich und entspannt zu sein, während wir uns traurig und verspannt fühlen. Es ist daher eine Grundregel in jeder therapeutischen Situation, zuzulassen und zu erlauben, was ist. Aus Gefühlszuständen kommt nur der heraus, der wirklich hindurchgeht. Wenn schlechte Stimmungen zugelassen, ausgedrückt und somit «gelebt» werden, haben wir wieder freie (seelische) Bahn für andere, gute Stimmungen. Hingegen führt jeder Versuch künstlicher Aufheiterung (Scherze, Witze) meist tiefer in das Elend hinein.
    Ihrem Wesen nach spontane Phänomene sind auch der Schlaf und die Sexualität. Wer unter Einschlafschwierigkeiten leidet, richtet nicht selten den Appell an sich: «Du musst jetzt wirklich einschlafen!» und verwendet vielleicht noch allerlei Mittel, um das Einschlafen zu fördern (Schafe zählen). Einschlafen aber geschieht «von selbst», Versuche zur Selbstappellierung verhindern eher den gewünschten Effekt, als dass sie sein Eintreten erleichtern. Der Schlaf ist (wie alle Spontanphänomene) wie eine Taube: Greift man nach ihr, fliegt sie davon; hält man lediglich die ausgestreckte Hand auf, setzt sie sich unter Umständen nieder.
    Das Gleiche bei der Sexualität: Wer, wenn es «nicht klappt», sich durch selbstappellierende Mittel («nun konzentriere dich mal, reiß dich zusammen!») anzufeuern und zu zwingen versucht, erliegt der Gefahr, ein sonst gut erprobtes Mittel für einen falschen Bereich zu übernehmen. Mit dem Appell zur Selbstüberwindung können wir uns unter Druck setzen, manch Unangenehmes zu leisten. Sexuelle Potenz hingegen folgt nicht diesem Druck, sondern wird dadurch endgültig verhindert.
    2.5
    Appelle, die den «Seelenfrieden» stören
    Vielfach entwickeln die Empfänger von Nachrichten einen erheblichen Widerstand nicht nur gegen den in der Nachricht enthaltenen Appell, sondern auch gegen die korrespondierende Sachaussage. Solche Aussagen würden, wenn sie sich als richtig erwiesen, seinen Seelenfrieden stören, ihn ins Unreine mit sich selbst bringen.
    Betrachten wir ein paar Beispiele und versuchen wir sodann, das diesen Beispielen Gemeinsame herauszuarbeiten:
    Erstes Beispiel: Herr Maus ist starker Raucher. Er empfängt die Nachricht: «Rauchen ist gesundheitsschädlich, fördert Lungenkrebs und Herzinfarkt.» Herr Maus reagiert unwirsch: «Ach was! Mit Statistik kann man alles beweisen. Und sterben müssen wir doch alle – oder??» Zweites Beispiel: Herr Marder hat seine Kinder

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