Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation
Stimmen, die konfrontativ geladen sind (Becker, S. 81):
Herr Sauer : Ich bin sauer, weil ich ihm doch alles genau erklärt habe. Ich habe ihn eingestellt und trainiert, und in letzter Zeit hat er so nachgelassen. Er hat behauptet, er wäre zweimal in der Woche in dem Laden gewesen. Das kann nicht stimmen. Und das nach all der Mühe, die ich in ihn investiert habe.
Der Enttäuschte : Wir haben doch alles gemeinsam verabredet, auf demokratischer Ebene. Aber jetzt hält er sich nicht daran!
Dagegen stehen zwei andere, liebe Gestalten, die solche negativen Regungen für destruktiv halten:
Ein Mitfühlender möchte den Mitarbeiter keinesfalls durch Aufzählen seiner Fehler «am Boden zerstören». Wie soll der noch frohgemut seine Arbeit machen, wenn er schon morgens «einen Kloß in den Hals» bekommt? Nein, man muss schonend mit ihm umgehen! Daneben steht, mit ähnlichem Tenor, ein Fürsorglicher : «Ich motiviere meine Mitarbeiter mit Freundlichkeit, sodass eine gute Stimmung herrscht. Ich schätze alle meine Jungs – es sind alles Diamanten, die man noch ein wenig schleifen kann!»
Sein Oberhaupt ist mit diesen beiden Stammspielern identifiziert, sodass sie zu Spielführern des Außendiensts werden. Da sich aber innerlich die beiden «Negativen» aufdrängen, braucht es jemanden, der sie hinter Schloss und Riegel hält. Herr Herzlieb nennt ihn den Ich-hab-mich-im-Griff : «Ich nehme mich zurück. Im Arbeitsleben habe ich meine Emotionen im Griff, das liegt natürlich auch an meinem Alter. Ich kann das nicht ertragen, wenn ich mich emotional nicht unter Kontrolle habe. Mit Emotionen meine ich Ausbrüche von Wut und Ärger.» Herr Herzlieb gibt an, diesen Gefühlskontrolleur unter dem Eindruck seiner eigenen Lehrjahre entwickelt zu haben: Unter seinen damaligen Chefs habe er sehr gelitten und sich geschworen, ein anderer, besserer Chef zu werden.
Offensichtlich ist diese innere Aufstellung nicht situations- und rollenadäquat. Auch ein (allzu) gutes Herz kann kontaktunfähig machen. Sauer und Enttäuscht gehören an die frische Luft – an der Kontaktlinie finden sie Kollegen vor, die dafür sorgen werden, dass die beiden Inhaftierten nicht über die Stränge schlagen (Becker schlägt vor, den «Gefängniswärter» in einen «Bewährungshelfer» zu verwandeln). Die hier notwendige innere Teamentwicklung wird allerdings, da es sich um eine Verbannung zweiten Grades handelt, nicht ohne innere Schwerarbeit zu leisten sein (vgl. S. 246ff.).
6.5
Das Ideal der Stimmigkeit: ein Vier-Felder-Schema
Das Ideal der Stimmigkeit fordert die doppelte Entsprechung mit mir selbst und mit dem Gehalt der Situation (in ihrem systemischen Kontext). In früheren Kapiteln (vor allem in Kapitel 2) ging es um den personalen Aspekt (Was ist mir gemäß? Wie komme ich bei innerer Pluralität und Uneinigkeit zur Übereinstimmung mit mir selbst?). In diesem Kapitel haben wir uns dem situativen Aspekt (Was ist situations- und systemgemäß?) angenähert.
Nun ist es an der Zeit, beide Gesichtspunkte im Zusammenhang zu betrachten. Ich möchte dazu ein Vier-Felder-Schema vorschlagen, das (idealtypisch) die vier Möglichkeiten vorsieht:
In Übereinstimmung mit mir und dem situativen Gehalt (= stimmig);
in Übereinstimmung mit mir (authentisch), aber nicht situationsadäquat;
weder mit mir selbst noch mit dem Situationsgehalt übereinstimmend;
mit mir selbst nicht in Übereinstimmung, aber passend zur Situation.
Abb. 97:
Vier-Felder-Schema zum Konzept der Stimmigkeit, mit personaler und situativer Komponente
Das erste Feld hatte bereits seinen Namen, bei der Namensgebung der anderen drei Felder habe ich mich durch die Umgangssprache inspirieren lassen. Betreten wir zunächst diese drei Felder, die drei Spielarten des Misslingens stimmiger Kommunikation , bevor wir auf das erste zurückkehren in der Absicht, das Konzept der Stimmigkeit sodann durch Abgrenzung genauer zu bestimmen.
Daneben
Im Feld 2 wäre ein Verhalten dadurch gekennzeichnet, dass der Kommunikator mit sich selbst in Übereinstimmung ist, aber den Gehalt der Situation verfehlt: authentisch, aber daneben. Gibt es das? O ja! So war ich als junger Mann auf einer hanseatischen Verlobungsfeier durchaus authentisch, als ich, darum gebeten, noch mit diesem und jener anzustoßen, etwas keck und erschöpft durch den Festsaal rief: «Ich habe doch schon die ganze Verwandtschaft abgeklappert!» Die Stille, die darauf einsetzte, und die erschrockene und peinlich berührte
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