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Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

Titel: Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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all’ns Schiet!
    Gibt es weitere Teammitglieder, die häufig fehlen, obwohl sie dringend gebraucht werden? In ihrer Diplomarbeit hat Elke Becker (1997) weibliche und männliche Führungskräfte nach Situationen befragt, in denen sie nach eigenem Empfinden nicht gut reagiert haben: «Hätte ich mich bloß anders geäußert!» Bei jedem dieser Vorfälle wurde sowohl der situativ-systemische Kontext als auch der innere Kontext, die Aufstellung des Inneren Teams im Augenblick des Geschehens, erhoben und rekonstruiert. Ergebnis: Häufig sind es «menschliche» Regungen, die innerlich die Oberhand gewinnen und dann auch zum Ausdruck kommen, wohingegen die inneren «Profis» ausfallen oder zu spät kommen. Beispiel (Becker, S. 108ff.):

    Der Chef und die Sekretärin. Ein Chef will abends sein Büro verlassen, ist schon in Hut und Mantel. Er geht ins Zimmer seiner Sekretärin, um sich zu verabschieden. Dort ist gerade auch seine Mitarbeiterin Frau A anwesend. Ihm ist bekannt, dass Frau A zuweilen eine spitze Zunge hat und dass es deswegen zwischen ihr und seiner Sekretärin oft zu Spannungen kommt. Zu seiner Sekretärin hat er ein gutes Verhältnis, allerdings weiß er, dass er ihr gegenüber sehr konsequent sein muss, da sie sonst zu Nachlässigkeiten neigt. Die Sekretärin sagt: «Übrigens, ich komme morgen später, weil bei mir ist der Ofen kaputt, da muss ich da sein, wenn der Reparateur kommt. Wollen Sie den Schlüssel für die Teeküche haben, damit Sie sich den Tee selber machen können?»

    Abb. 93:
    Abendlicher Kontakt im Sekretariat (nach Becker 1997, S. 109, vereinfacht)
    Der Chef ist überrumpelt. Innerhalb weniger Zehntelsekunden gestaltet sich seine innere Gruppendynamik wie folgt (s. Abb. 94): Ein großer grüner Ärger flammt auf («Was nimmt die sich heraus, die spinnt wohl!»), wird jedoch noch im Augenblick des Entstehens von zwei «geschulten Aufpassern» (Becker) gedeckelt: von einem Rationalisierer («Bloß nicht emotional reagieren!») und einem lieben Jesulein    [10] («Sei lieb, lass sie nicht vor der Frau A das Gesicht verlieren!»). Ein kleiner Junge ist überrascht und verdattert, ist «mucksch», dass er keinen Tee bekommt. Er ist es, der angesichts des inneren Patts der anderen in den Kontakt geht und vor sich hin murmelt: «Ich komme schon ohne Tee aus!»

    Abb. 94:
    Innere Aufstellung eines Chefs – der «Profi» im Inneren Team kommt zu spät (nach Becker 1997, S. 113, etwas vereinfacht)
    Zwar hatte sich auch noch ein Systemkoordinator gemeldet, der anfangen wollte, die Situation zu analysieren – aber dieser langsame und gründliche Profi hatte gegenüber den Schnellen und Heftigen keine Chance. Er hätte vielleicht das Geschehen in folgender Weise aufgeschlüsselt:
     
Dies ist ein Antrag auf Dienstbefreiung – ich als Chef muss, unter Berücksichtigung dienstlicher Belange, entscheiden.
Die Form des Antrags ist befremdlich: eine Mitteilung statt einer Bitte, dazu noch zwischen Tür und Angel. Ich als Chef sollte die Form kritisieren.
Zwischen Tür und Angel und in Anwesenheit einer Mitarbeiterin sollte ich zu 1. und 2. nicht Stellung nehmen, daher:
    «O.K., wenn dies ein Antrag auf Dienstbefreiung ist, sollten wir darüber kurz sprechen. Würden Sie gleich noch mal rüberkommen zu mir?»
    Und in seinem Büro: «Ich sehe zwar ein, dass so ein kaputter Ofen eine hohe Priorität hat, aber ich bin nicht einverstanden mit der Art, wie Sie die Dienstbefreiung beantragen, nämlich
    1. sehr kurzfristig,
    2. sehr beiläufig zwischen Tür und Angel und
    3. in Form einer Mitteilung, die mich vor vollendete Tatsachen stellt. Was meinen Sie dazu?»
    Die Profis sind Spätentwickler im Inneren Team und müssen in das Stammteam erst langsam integriert werden, müssen nach und nach «hineinreifen». Von daher «menschelt» es in beruflichen Kontexten ganz erheblich. Dies ist bis zu einem gewissen Grad auch verkraftbar, ja, sogar wünschenswert, da Professionalität ohne Menschlichkeit zu kalter Instrumentalität verkommt. Wo es aber allzu sehr menschelt, entfaltet sich leicht ein kunterbuntes Gefühls- und Beziehungsdrama, welches eine koordinierte rollen- und aufgabenbezogene Zusammenarbeit behindert.
    Innere Fehlbesetzungen
    Von daher lohnt es sich, kritische Kommunikationsvorfälle daraufhin zu untersuchen, wer aus dem Stammteam zur situationswidrigen Unzeit «dazwischenfunkt», sich innerlich mit unabweisbarer Wucht meldet oder sogar den Außendienst maßgeblich gestaltet.
    Steht die

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