Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation
Endeffekt, dass sie die Situation selbst und ihre Rolle darin in Frage stellen und wenn möglich verändern muss – genau dies war das Ergebnis der Beratung. Die wichtigsten Gesprächspartner dafür waren, neben den Seminarteilnehmern, vor allem die «fünf Weisen» im eigenen Haus.
Die Freundin des Exmanns ruft an
Der genaue Ablauf einer Kommunikationsberatung mit doppelter Blickrichtung sei an folgendem Lehrbeispiel demonstriert. Es entspringt einem realen Fall aus der Beratungspraxis und wird aus didaktischen Gründen etwas abgewandelt.
Eine Frau, selbst Beraterin, bringt folgende Fragestellung ein:
Ich habe vor einigen Tagen einen Anruf von der Freundin meines Exmanns erhalten, in dem sie mir detailliert ihren Beziehungsknatsch mit ihm schilderte und mir mitteilte, sie habe vor, sich zu trennen. Ich reagierte schon während des Telefongesprächs ziemlich verwirrt darauf, dass sie nun ausgerechnet mich anrief, da ich sie nur einmal kurz gesehen hatte und sie gar nicht kannte. Ihr Gesprächsangebot war dennoch sehr persönlich. Damals verhielt ich mich zwar distanziert, ging aber auf das Gespräch ein. Auch noch einige Tage danach ging mir dieses Gespräch sehr nach, und mir wurde immer unklarer, was ich davon halten sollte. – Wie soll ich im Fall eines erneuten Anrufs reagieren?
Erkundung des äußeren Kontexts. Hier ergab sich zunächst folgendes Bild (s. Abb. 100, rechte Seite): Sie ist geschieden von ihrem Exmann, sie haben gemeinsam ein vierjähriges Kind, das bei ihr lebt und um das sich der Vater nicht kümmert. Der Vater lebt mit der neuen Freundin, der Anruferin, zusammen.
Abb. 100:
Beratung mit doppelter Blickrichtung: erste Version = Ist-Zustand
Erkundung des inneren Teamkontexts. Die Erkundung ihrer inneren Konstellation während des Telefongesprächs und danach ergab folgendes Bild (s. Abb. 100, linke Seite): An der Kontaktlinie standen drei Beteiligte: eine neugierige Klatschtante («Ist ja total spannend, erzähl mal!»), eine erleichterte Exfrau («Oh, diese Schwierigkeiten kenne ich gut – wunderbar zu hören, dass dies nicht nur meine Probleme sind!») und eine Solidarische («Kann mir vorstellen, wie dir zumute ist – ich würde dich gern von Frau zu Frau unterstützen!»). Relativ leise (dafür später umso lauter) meldete sich eine Misstrauische : «Warum ruft die gerade mich an, die kennt mich doch gar nicht? Will die mich aushorchen? Erzählt die jetzt alles, was ich sage und wie ich reagiere, brühwarm an meinen Exmann weiter und sorgt für neuen Stress zwischen ihm und mir?»
Diese Misstrauische steht dezent, aber doch spürbar hinter den drei Kontaktfreudigen und hält sie ein wenig zurück: Bei aller Gesprächsbereitschaft mischt sich doch eine leichte Reserviertheit ein.
Schließlich ist da noch eine Beraterin , professionell gut eingeübt und normalerweise schnell anspringend. Diese wird aber vom Oberhaupt bewusst zurückgehalten: «Du hast hier nichts zu suchen, es ist keine Beratungssituation, weder hat sie ausdrücklich nach einem Rat gefragt, noch wirst du dafür bezahlt!»
So weit die Erhebungsphase und ihre Gestaltung in einem Doppelbild.
Kommentar: Die innere Aufstellung der Frau ist nachvollziehbar und psychologisch plausibel. Dass sie ihre Beraterin (normalerweise Stammspielerin im Inneren Team) zurückhält, erscheint situativ sehr angemessen. Der Kern des Problems liegt in der großen Uneinigkeit zwischen den drei Aufgeschlossenen und der Misstrauischen . Dieser innere Teamkonflikt verhindert, dass sie den Telefonkontakt als stimmig erleben und mit innerer Klarheit gestalten kann.
Vertiefung. In der anschließenden Phase der Vertiefung der Selbstklärung mit Hilfe der inneren Teamkonferenz (vgl. S. 105ff.) zeigte sich, dass die Misstrauische an Stärke zunahm und, zu einem Einzelinterview eingeladen, Folgendes zu Protokoll gab:
Misstrauische: Warum will sie (die Anruferin) ihre Sorgen ausgerechnet mit mir besprechen, einer ihr im Grunde fremden Frau? Mich verbindet zwar nichts mehr mit meinem Exmann, (Pause) außer einer vergangenen Liebe … – und er ist immer noch der Vater meines Kindes und wird es auch bleiben (auch wenn er derzeit alles tut, um dies vergessen zu machen). Aber ich werde doch einen Teufel tun, diese gemeinsame Elternschaft, die uns zeitlebens verbinden wird, noch zusätzlich dadurch zu belasten, dass ich mich in seine Partnerschaft einmische, einmischen lasse!
Ich weiß ja nicht, welche «Munition» seine Freundin aus
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