Miteinander reden von A bis Z
kommen, wenn zwei Personen oder zwei Parteien entgegengesetzte Werte vertreten und darin immer extremer werden. So legt Herr Braunschweig zum Beispiel großen Wert auf Zuverlässigkeit und Ordnung. Er wirft seiner Kollegin Frau Soltau, für die Flexibilität und Lockerheit besonders wichtig sind, oft «chaotische Unzuverlässigkeit» vor. Umgekehrt beschuldigte Frau Soltau Herrn Braunschweig der «sturen Pedanterie», während sie selbst ihre Fähigkeit zur Flexibilität und Kreativität preist. In dem Modell werden die Vorwurfsrichtungen als absteigende diagonale Pfeile dargestellt (s. Abb. 87 ).
Abb. 87 :
Vorwurfsrichtung im Wertequadrat
Typisch für solche Polarisierungen ist, dass jeder sich in dem Wert sonnt, der ihm heilig ist (z.B. «Ich stehe für Flexibilität!»), und den anderen im Keller der Entgleisung verortet und dort anprangert («Du bist ein sturer Pedant!»). Dadurch werden zwei Qualitäten, die im Regenbogen zusammengehören, immer weiter auseinandergetrieben – und die beiden Konfliktpartner auch. Mit Hilfe des Wertequadrates lassen sich solche Polarisierungen gut rekonstruieren.
Literatur
Miteinander reden 2 , S. 43 ff. (S. 38 ff.)
Schulz von Thun, F./Ruppel, J./Stratmann, R.: Miteinander reden: Kommunikationspsychologie für Führungskräfte, S. 52 ff.
Schulz von Thun, F.: Miteinander reden: Fragen und Antworten, S. 49 ff.
Widerstand
Widerstand leistet, wer sich einer Herrschaft nicht unterwerfen will. Hier ist der Begriff jedoch im Sinne der Psychoanalyse von Sigmund Freud gemeint. Er hatte beobachtet, dass sich seine Patienten zuweilen dann, wenn die Psychotherapie voranschritt und in die Nähe eines besonders wunden Punktes gelangte, in irgendeiner Weise sperrten: nichts mehr fühlten oder den Termin vergaßen, dem Therapeuten plötzlich misstrauten oder auf irgendeine andere Weise blockiert waren. Dass sie damit den Fortgang der Psychotherapie an Stellen, die schmerzhaft, peinlich oder abgründig zu werden drohten, vermeiden wollten, blieb unbewusst.
Solche Widerstands-Phänomene gibt es auch im Coaching und in der Weiterbildung; sie können dem Berater/Trainer arg zu schaffen machen, wenn er nicht kundig damit umzugehen weiß. So muss er damit rechnen, dass er verbal angegriffen oder verächtlich gemacht wird, dass Teilnehmer lustlos und blockiert reagieren, dass anstelle eines vorgeschlagenen Rollenspieles abstrakte und hochintellektuelle Debatten entstehen.
Der «Widerstand gegen den Widerstand», sei es mit Engelszungen oder mit knallender Peitsche, wird diesem nicht gerecht und wird ihn in der Regel noch verstärken. Folgende Empfehlungen haben sich als aussichtsreich erwiesen:
Nicht alles, was dir, dem Berater/Trainer, entgegentritt und was du als störend empfindest, ist Widerstand im psychoanalytischen Sinne. Sei dir bewusst, dass dies eine Deutung ist, die zutreffen kann oder auch nicht!
Nimm den «Widerstand» (ab jetzt in Anführungszeichen!) ernst und ergründe seinen Hintergrund, versuche ihn zu → verstehen !
Heiße ihn sogar willkommen! Warum willkommen? Wenn der «Widerstand» manifest wird (und nicht unterschwellig eine lähmende Wirkung verbreitet), wird er besprechbar, klärbar, verhandelbar.
Verbünde dich gelegentlich sogar mit dem «Widerstand», denn er ist für den Klienten oft ein Beschützer («Bis hierher und nicht weiter!»). Bewacher im → Inneren Team passen auf, dass verletzliche Teile geschützt bleiben. Solche Schutzwächter wollen beachtet, verstanden und gewürdigt werden, man darf sie nicht ungestraft übergehen.
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Literaturverzeichnis
Adler, A. ( 1973 ): Individualpsychologie in der Schule. Frankfurt a.M.: Fischer.
Ansbacher, H./Ansbacher, R. ( 1972 ): Alfred Adlers Individualpsychologie. München: Reinhardt.
Benien, K. ( 2004 ): Schwierige Gespräche führen. Modelle für Beratungs-, Kritik und Konfliktgespräche im Berufsalltag. Reinbek: Rowohlt.
Benien, K. ( 2005 ): Beratung in Aktion. Erlebnisaktivierende Methoden im Kommunikationstraining. Hamburg: Windmühle.
Bönsch, M./Zach, K. ( 2006 ): Seminarkrisen meistern. Erste Hilfe für Trainer, Lehrer und Vortragende. Reinbek: Rowohlt.
Cohn, R. ( 2009 ): Von der Psychoanalyse zur Themenzentrierten Interaktion. Stuttgart: Klett-Cotta.
Fischer-Epe, M. ( 2004 ): Coaching. Miteinander Ziele erreichen. Reinbek: Rowohlt.
Glasl, F. ( 1980 ): Konfliktmanagement: Ein Handbuch für Führungskräfte, Beraterinnen und Berater. Bern: Haupt Verlag,
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