Mithgar 11 - Die kalten Schatten
wir dort waren, brachen viele zum Kampf mit dem Gezücht auf. Hat Euer Verwandter erzählt, wie die Sache ausging?«
»Nein«, erwiderte Gildor, »denn er wusste es nicht. Doch das erklärt das leere Lager, in das ich am östlichen Rand des Waldes kam: Sie waren in den Krieg gezogen. Ich weiß nichts von jener Schlacht, denn ich folgte ausschließlich Euch.«
Danach wurde nicht mehr viel gesprochen, und Tuck legte sich zum Schlafen nieder. Als er aber mit der Wache an die Reihe kam, verbrachte er die Zeit damit, Gildors Worte in seinem Tagebuch festzuhalten.
Nach einer unruhigen Nacht brachen sie das Lager ab und zogen weiter südwärts durch die Ardenschlucht. Zu beiden Seiten ragten hohe Steinwände auf, bisweilen sehr nah, dann wieder zwei, drei Meilen entfernt, außerhalb von Galens Sehvermögen im Schattenlicht.
Rund vierzehn Meilen ritten sie nach Süden, eingehüllt von schneebedeckter Stille; sie sprachen wenig oder gar nicht, und Tuck fiel in einen Zustand, in dem er eins mit dem Wald war: Er bewegte sich zwischen dem Immergrün, sah die Bäume vorüberziehen und war ganz auf den Wald in der Schlucht eingestimmt. Plötzlich und unerwartet brach Gildors Stimme in diesen einvernehmlichen Zustand:
»Nun ist es nicht mehr ganz eine Meile bis zum Ende des Ardentals«, sagte der Elf.
»Hinter der Biegung kommen wir zum Lager meiner Verwandten, die Arden-Wache stehen. Wir werden im Schutz des Einsamen Greisenbaums mit ihnen essen.«
»Der Einsame Greisenbaum?«, fragte Tuck und versuchte, sich in Erinnerung zu rufen, was er über diese sagenumwobenen Riesen des Waldes wusste. »Sind das nicht diese Bäume, die angeblich das Zwielicht sammeln und es festhalten, wenn Elfen in der Nähe weilen?« Auf Gildors Nicken hin fügte Tuck überrascht hinzu: »Aber ich hielt das bloß für ein Märchen.«
Gildor lachte. »Wenn sie Märchengebilde sind, kleiner Waerling, dann lasst Ihr es diesen Greisenbaum lieber nicht wissen, sonst könnte es sein, dass er verschwindet und mit ihm der gesamte Wald von Darda Galion.«
Tuck lächelte im Weiterreiten über Gildors Antwort und wunderte sich über seine eigene Unwissenheit.
Der Fluss machte eine Biegung, und in der Ferne war nun das Tosen von herabstürzendem Wasser zu hören. Gildor zeigte voraus, und Tuck sah, dass sich die Schlucht dort zu einem schmalen Spalt verengte, aus dem ein weißer Dunst in die Winternacht hinaufzuströmen schien. Gildor deutete noch einmal, und Tucks Blick fiel auf einen gewaltigen Baum, einer Kiefer ähnlich, doch mit breiten Blättern anstelle von Nadeln; und selbst im Schattenlicht erkannte der Wurrling, dass die Blätter dämmrig waren, als würden sie vom Dusterschlund nicht berührt, sondern als schiene ein eigenes, mildes Zwielicht aus ihnen.
»Oho, was für ein Riese!«, rief Tuck aus, und aus den schräg stehenden Augen sprach das Staunen über einen Baum, der hunderte von Fuß in die Luft ragte. »Gibt es noch andere Greisenbäume in Arden?«
»Nein, nur diesen hier. Deshalb nennen wir ihn den Einsamen Greisenbaum«, antwortete Gildor. »Mein Vater brachte ihn als Setzling aus Darda Galion hierher und pflanzte ihn in die fruchtbare Erde der Ardenschlucht, bald nachdem mein Volk dieses verborgene Tal entdeckt hatte.«
»Euer Vater hat ihn gepflanzt? Talarin? Aber dieser Riese muss tausende von Jahren alt sein… « Tucks Verstand scheute davor zurück, über das Alter von Elfen nachzusinnen. »Dieser Baum ist das Symbol für den Wächter der nördlichen Gebiete von Reil, der zur Zeit Talarin ist«, mischte sich Galen ein. »Oft wurde dieses Siegel in die Schlacht gegen dunkle Mächte getragen: der grüne Baum auf grauem Feld. Eine solche Flagge hängt in der Versammlungshalle von Caer Pendwyr und eine zweite in der Feste Challerain.«
»In Challerain nicht mehr, fürchte ich«, sagte Gildor, »denn Modrus Horde wird sie ebenso wie die übrigen Fahnen des Bundes von der Wand gerissen haben.« Während sie zum Elfenlager unter dem Einsamen Greisenbaum eilten, wurde nichts mehr gesprochen.
»Jawohl, der Zugang zum Crestan-Pass wird von den Rüpt gehalten«, sagte Jandrei, der Hauptmann der Arden-Wache. »Und die Ghülka , Modrus Räuber, patrouillieren auf dem alten Rellweg. Irgendwo im Süden marschiert eine Horde die aufgegebene Straße entlang. Vor drei Tagen sind sie nördlich des Passes vom Grimmwall herabgekommen. Wohin die Brut unterwegs ist, weiß ich nicht, doch sie marschieren in scharfem Tempo. Vielleicht eilen sie in
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