Mithgar 11 - Die kalten Schatten
Richtung Quadra-Pass und Drimmenheim oder nach Darda Galion.«
»Wir reiten zum Quadra-Pass«, sagte Galen und goss sich noch einen Becher Tee aus dem Topf ein, der an Haken über dem kleinen Lagerfeuer hing. »Wenn wir den Grimmwall dort überqueren können, warnen wir die Lian im Lerchenwald vor dieser Horde, bevor wir nach Pellar weiterziehen.«
»Seid vorsichtig«, sagte Jandrei, »denn nicht nur Ghülka , Rucha und Loka sind in der Horde, sondern auch Vulgs. Macht einen weiten Bogen um sie, denn Modrus bösartige Kundschafter können euch riechen, falls ihr zu nahe kommt.«
»Kundschafter?«, fragte Tuck. »Vulgs sind Kundschafter?«
»O ja, Meister Waerling«, erwiderte Jandrei, »Kundschafter. Es war schon immer so, dass Vulgs tun, was ihnen Modru befiehlt, und gelegentlich setzt er sie für schändliche Missionen ein, wo ihre Geschwindigkeit, ihre Verstohlenheit und ihre Wildheit seinen Zwecken dienen. Hauptsächlich benutzt er sie aber als Flankenschutz für seine Horde, oder er lässt sie die Länder ausspionieren, in die er einzudringen beabsichtigt.«
»Länder ausspionieren… aber sie waren in den Sieben Tä lern!«, rief Tuck und sprang auf. Mit dem Frieden, den er unter dem Greisenbaum empfunden hatte, war es vollständig vorbei. »Sie haben vor, in die Sieben Täler einzudringen! Ich muss zurück! Sie müssen gewarnt werden! Merrili… « Tuck lief einige Schritte auf die Pferde zu, dann blieb er wie von einem Pfeil durchbohrt abrupt stehen und drehte sich langsam zu seinen Gefährten um, bevor er im Schnee auf die Knie sank und das Gesicht in den Händen vergrub.
Nach sechs raschen Schritten kniete Galen neben dem Wurrling. »Wenn Ihr in die Sieben Täler zurückkehren müsst, steht es Euch frei, zu gehen, Tuck. Wie Ihr allerdings dorthin gelangen wollt, weiß ich nicht.«
»Ich kann nicht zurück, ich kann nicht«, flüsterte Tuck. »Es gibt keine Ponys, und selbst wenn es sie gäbe, käme ich zu spät. Und Ihr braucht meine Augen.« Der schnell unter dem Eis dahineilende Fluss Fall tauchte aus den letzten Wänden der Ardenschlucht auf und stürzte einen breiten Wasserfall hinab. Wirbelnde Nebel stiegen auf und trübten die Sicht auf das Tal, und wo sich der Dunst auf den kalten Fels legte, entstanden bizarre Eisgebilde.
Das Trio bewegte sich auf einem versteckten Pfad hinter dem tosenden Wasser, wo der Stein mit einer dicken Eisschicht überzogen war: Hier lag der geheime Eingang zum Tal - ein Eingang, der von dem herabstürzenden Wasser verborgen wurde. Schließlich kamen sie hinter dem Wasserfall hervor und schlängelten sich zwischen Felsspitzen hindurch, bis sie zuletzt auf die Hochebene von Reil gelangten. Die Pferde wurden zu einem leichten Galopp angetrieben und rannten nach Süden, während Tuck zurückschaute zur Ardenschlucht, zurück zu jener letzten Spalte, wo die hohen, glatten Felswände aus der Erde brachen, aber der beständige weiße Dunst verhüllte alles, was hinter den Arden-Fällen lag: Weder Kiefernwälder noch Steinwände waren durch den Nebel sichtbar - nicht einmal der Einsame Greisenbaum.
Doch Tucks bittere Gedanken weilten nicht bei dem verborgenen Tal; er sorgte sich viel früher wegen der Vulgs, welche die Sieben Täler ausgekundschaftet hatten und somit einen Einmarsch befürchten ließen. Und er dachte an die Worte, die Galen erst vor zwei Dunkeltagen gesprochen hatte: Dies sind üble Zeiten für Mithgar, und zwischen üblen Möglichkeiten muss ich wählen. Und besser denn je erkannte er die Wahrheit in Raels Worten: »… das Böse… zwingt uns alle auf dunkle Wege, die wir andernfalls nicht beschritten hätten.« Und Tuck dachte: Selbst wenn ich mich entscheiden würde, ein großes Übel woanders zu bekämpfen, habe ich keine Wahl, denn wenn König Galen nicht nach Pellar gelangt, wird ein noch größeres Übel über die Welt kommen… o Merrili, Liebste… Tuck wandte den Blick vom Tal ab, denn er konnte es nicht mehr sehen. Knapp eine Meile südlich bog der Fall nach Westen ab, während das Trio geradeaus weiterritt; und kurz darauf kreuzten sie die Querlandstraße, die wichtige Ost-West-Verbindung, die sich vom fernen Ryngar-Arm des Westmeers bis zu den nahen Bergen des Grimmwalls erstreckte. Trotz dieses ausgedehnten Handelsweges spielte sich der größte Teil des Güterverkehrs in diesem Teil von Mithgar auf dem Fluss Hundertinsel ab.
Hinter der Querlandstraße ritten sie weitere fünfzehn Meilen über das wellige Land nach Süden, bevor sie ein
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