Mithgar 13 - Zwergenzorn
manchmal veranlasste eine jähe Windbö den Wald, nasse Blätter herabregnen zu lassen. Hier und da waren nur noch kahle Äste übrig, die sich in den bleiernen Himmel krallten. Der Trupp sah wenig Tierleben an Land und nur ein paar Vögel, hauptsächlich Raben.
An jenem ersten Tag trieben die Sieben etwas über acht Stunden auf dem Wasser und legten von der Furt im Norden bis zu einer Stelle fünf Meilen oberhalb der Großen Insel fast fünfzig Meilen zurück. Dort benutzten sie Ruder und Staken, um am Westufer zu landen, wo sie das Floß für die Nacht vertäuten.
Früh am nächsten Tag, im Morgengrauen, hörte der Nieselregen auf und der Wind legte sich. Später am Morgen war die dichte Bewölkung aufgerissen, sodass an vielen Stellen blauer Himmel durchschien.
An jenem Tag schwamm das Floß an der Großen Insel mit ihren steilen, felsigen Ufern und knorrigen, alten Bäumen hohen Alters vorbei. Die Insel war fast zwölf Meilen lang und das Floß benötigte zwei Stunden, um sie zu passieren. In uralten Zeiten hatte an ihrem Nordende eine Festung gestanden, wo die Hüter des Flusses lebten. Doch Modru hatte sie verdorben und dann hatten sie begonnen, den Flusshandel unsicher zu machen, indem sie Kaufleute ausplünderten und Handelsschiffe kaperten. Schließlich hatten sich die Waldbewohner der Argontäler zusammengetan, um die Plünderer zu vernichten, und die Festung war so gründlich zerstört worden, dass nichts mehr von ihr übrig geblieben war – heute erinnerte man sich nicht einmal mehr an ihren Namen. An dieser Insel vorbei trieb das Floß, bis es die Südspitze erreichte, wo sich der gespaltene Fluss wieder vereinigte.
Das Floß war zwar groß, aber dennoch beengend, und es gab wenig zu tun. Als das Floß wieder mitten im breiten Strom schwamm und es nur geringer Kurskorrekturen bedurfte, löste Perry Anval am Achternruder ab. Die Zwerge versammelten sich in der Mitte des Floßes vor ihrer Fracht und begannen eine Diskussion über die möglichen Bauweisen der Dämmertür. Der rotbärtige Tormeister Barak redete hauptsächlich, während die anderen, unter ihnen auch Anval und Borin, die meiste Zeit zuhörten. Die Zwerge saßen weit weg vom überschwappenden Wasser und schmiedeten Pläne, während das Floß vom Argon nach Süden getragen wurde.
Langsam veränderte sich das Land und je weiter sie nach Süden trieben, desto spärlicher wurde der Wald an den Ufern, bis sie am späten Nachmittag zwischen offenem Land schwammen, wo es nur dann und wann ein Gebüsch oder eine Weide zu sehen gab, die dem Auge Abwechslung bot. Sie hatten die Nordgrenze der Mark Dalgor erreicht und lagerten an diesem Abend in einem Dickicht am Rande dieses Landes.
Am nächsten Tag trieb das Floß an der Stelle vorbei, wo der Dalgor in den Argon mündete. Die offene Mark Dalgor wurde immer sumpfiger, je näher sie dem Zusammenfluss kamen, und eine Brise ließ das hohe, trockene Schilf knistern, das sich infolge des nahenden Winters braun verfärbt hatte. Der Himmel war blau und der Tag klar, und Perry betrachtete die Gegend mit Interesse. Hier in dieser Region hatten sich die Othen niedergelassen und waren später geflohen, denn hier waren im Großen Krieg mit Gyphon brutale Schlachten geschlagen worden und Helden gefallen, und hier war auch das Morgenschwert verschwunden. Es war eine geschichtsträchtige Gegend, obwohl sie mittlerweile bis auf die wilden Tiere gänzlich verlassen war.
Das Floß trieb weiter in den südlichen Teil der Mark, und das Land wurde weniger sumpfig und stieg ringsherum ein wenig an. Gebüsche tauchten ebenso wieder auf wie vereinzelt stehende große Bäume, und am Abend waren die Sieben links und rechts wieder von Uferwald umgeben.
Den ganzen Morgen des nächsten Tages stieg das Land langsam an, bis es sich ein gutes Stück über den Fluss erhob. Das Floß schwamm immer schneller, denn je höher das Land wurde, desto schmaler wurde der Fluss.
Am frühen Nachmittag näherte sich das Floß einer langen, engen Schlucht mit hohen Felswänden. Je näher das Floß diesem Trichter kam, desto lauter wurde das Tosen des Wassers darin. Die Stromschnellen war die schmalste Stelle des Argon unterhalb der Überlandstraßenfurt, und die Strömung war reißend und stark. Der Flussverkehr nach Norden musste hier den Landweg über die Ostklippen nehmen. Der Verkehr nach Süden brauchte sich jedoch nur in der Flussmitte und von den scharfkantigen Felsen an jeder Seite fern zu halten.
Fürst Kian und Anval
Weitere Kostenlose Bücher