Mithgar 15 - Drachenbann
an.
»Begreifst du nicht, Gwylly, wenn jedes dieser Weizenkörner ein Jahr im Leben eines Drachen wäre, so müsste man zweihundertfünfzig Scheffel Weizen in Körbe füllen, um so viel Körner zu bekommen, wie ein Drache Lebensjahre hat.«
Das endlich konnte sich der Bokker vorstellen, denn Orith hatte Weizen angebaut und geerntet. Gwylly stellte sich Körbe mit zweihundertfünfzig Scheffeln Weizen vor, die sich vor ihm erstreckten, jeder bis zum Rand mit Weizenkörnern gefüllt, und jedes Korn davon repräsentierte ein Lebensjahr eines Drachen. Er malte sich aus, wie einer dieser Körbe umgefallen war, was ihm schon mal passiert war. Wie sich der Weizen über den Boden verstreute und die Weizenkörner eine große Fläche bedeckten. Dann versuchte er sich vorzustellen, dass alle zweihundertfünfzig Scheffel auf dem Boden verstreut wären. Er wusste, dass diese Fläche sehr groß sein würde, aber sein Verstand vermochte nicht, sie wirklich zu begreifen. Kaum auszudenken, dass jedes Korn ein Jahr im Leben eines Drachen darstellt. Und all diese Jahre, das ist ziemlich unvorstellbar.
Faerils Gedanken dagegen folgten einer ganz anderen Richtung. Sie sah zu Riatha und Aravan hoch, die neben ihr dahinschritten. Wenn die Lebensspanne eines Drachen so gewaltig ist, was ist dann mit der der Elfen? All die Sandkörner von allen Stränden und den Wüsten der ganzen Welt können nicht einmal annähernd die Zahl von Jahren widerspiegeln, die vor jedem Angehörigen dieses Edlen Volkes liegt.
Aravans Worte unterbrachen die Gedankengänge der Wurrlinge. »Euer Beispiel ist sehr zutreffend, Faeril. Aber eines gebe ich zu bedenken: Es ist nur eine Spekulation, dass die Schlafens- und Wachzeiten der Drachen mit jenen der Menschen korrespondiert. Es könnte auch gut sein, dass dem nicht so ist, oder dass sie stattdessen mit denen anderer Wesen vergleichbar sind, mit denen der Waerlinga zum Beispiel, oder der Elfen, der Zwerge, der Utruni. Niemand, mit dem ich gesprochen habe, wusste wirklich, ob diese Schätzung stimmt.«
Faeril sah den Elf an, während sie ihre nächsten Worte genau abwog. »Dann sagt mir, Aravan, wie alt ist der älteste Drache, der zur Zeit lebt?«
»Das weiß allein Adon, Faeril«, gab der Elf zurück. »Als wir nach Mithgar kamen, waren die Drachen schon da, und das geschah vor mehreren tausend Jahren.«
Eine Weile schritten die vier schweigend den Hang hinauf, während ihre Schritte im Schnee knirschten. Erneut bebte die Erde, und wieder fiel Schnee die steilen Flanken herab, die sich rechts und links von ihnen jäh erhoben, gefolgt von klapperndem Geröll und Eisbrocken, die auf dem Boden zerschellten. Schließlich brach Gwylly das Schweigen zwischen ihnen. »Also gut«, meinte er. »Und was ist mit Kalgalath?«
Aravan nahm den Faden seiner Geschichte wieder auf. »Der Schwarze Kalgalath war vielleicht der mächtigste Drache in ganz Mithgar, obwohl manche behaupten, Daagor wäre noch mächtiger gewesen. Doch Daagor starb in dem Großen Krieg, als er an Gyphons Seite kämpfte; er wurde von der Kunst der Magier zur Strecke gebracht.
Der Schwarze Kalgalath jedoch ergriff niemandes Partei und blieb dem Großen Krieg verächtlich fern.
Doch es gab ein mächtiges Symbol, den Kammerling, den andere auch den Hammer des Zorns nannten, wieder andere Adons Hammer. Man sagte, dieser Streitkolben könnte den mächtigsten aller Drachen töten.
Der Schwarze Kalgalath glaubte in seinem Hochmut, dass dieser Streitkolben sein Verderben sein sollte, also stahl er ihn den Wächtern, den Utruni, die Ihr Steingiganten nennt, und gab ihn einem Zauberer, der diese Waffe für ihn bewachen sollte.
Doch zwei Helden, Elyn und Thork, erbeuteten den Streithammer und töteten damit den Schwarzen Kalgalath.
In seinem Todeskampf schlug Kalgalath die Erde mit dem Kammerling, dort im Drachenhorst, und traktierte die Welt mit diesem gewaltigen Symbol der Macht. Seitdem ist das Land geschwächt, es zittert und erbebt in der Erinnerung von Kalgalaths Tod hier im Grimmwall-Massiv.«
Sie marschierten zwei Stunden weiter, dann noch eine, während die Nacht dunkler wurde und das Auge des Jägers über dem östlichen Rand der Schlucht auftauchte und seinen feurigen Schweif hinter sich herzog.
Erneut bebte die Erde, heftiger diesmal, und große Felsbrocken und Eisplatten lösten sich vom Rand der Schlucht und donnerten in die Tiefe.
Gwylly und Faeril wähnten, in der Ferne das Läuten eiserner Glocken zu hören. Doch im selben Augenblick
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