Mithgar 16 - Drachenmacht
pro Tag zurückgelegt, siebzehn bis achtzehn Werst. Jandrei hatte das Tempo variiert, damit die Pferde durchhielten, und so die fast sechshundert Meilen in nur elf Tagen bewältigt.
Riatha strahlte und Urus strotzte vor Stolz.
Faeril betrachtete die Elfe aufmerksam. »Man hat mir gesagt, Ihr gingt mit einem Kind, aber ich sehe nichts …«
Riatha lachte. »Soweit wir es einschätzen können, wird das Kind erst im Herbst geboren … vielleicht im Oktober.«
Faeril rechnete kurz nach. Fünf bis sechs Monate. »Wie kann das sein, Riatha? Ich dachte, dass Elfen auf Mithgar keine Kinder bekommen können. Und dass eine Empfängnis zwischen Elfen und Menschen niemals möglich wäre.«
»Es ist wahrhaft bemerkenswert. Doch Urus und ich wähnen, dass der Grund seine Natur sein mag. Er ist mehr als ein Mensch.«
»Ein Verfluchter«, brummte Urus, »jedenfalls dachte ich das immer. Bis jetzt.«
Faeril betrachtete den Baeron. »Und wie denkt Ihr nun darüber?«
»Nun? Nun bin ich ein Gebenedeiter«, antwortete Urus grinsend und umarmte Riatha.
Faeril zog wieder in die Kate, in der sie früher mit Gwylly gelebt hatte, oberhalb des Tumbel. Inarion hatte diesen Ort für sie freigehalten, als hätte er gewusst, dass sie zurückkehren würde.
In den nächsten Wochen kamen staunende Elfen aus ganz Mithgar ins Ardental, um bei der Geburt anwesend zu sein.
Inarion und Urus schickten Boten zum Großwald, um eine Hebamme der Baeron zu holen, denn die Elfen hatten nur wenig Erfahrung mit Geburten, jedenfalls in den letzten Jahrtausenden. Sie kam, eine dralle, stämmige Frau von fast einem Meter neunzig. Aber sie war sanft, hieß Yselle - und sie und Riatha freundeten sich rasch miteinander an.
In den Werkstätten von Ardental machten sich die Künstler, die mit edlen Metallen, Edelsteinen und anderen wertvollen Materialen arbeiteten, daran, Geschenke für das Kind zu fertigen, obwohl sie nicht wussten, ob es ein Junge oder ein Mädchen werden würde.
Unter den Handwerkern befand sich auch eine kleine Damman, die die Kunst erlernte, feine Ketten zu fertigen. Denn Faeril wollte unbedingt ein selbst gefertigtes Geburtstagsgeschenk beisteuern. Also schuf sie einen kristallenen Anhänger an einer Platinkette. Der Stein war aufgrund dessen, was sich darin befand, besonders bemerkenswert: die winzige Figur eines Vogels, eines Falken, der seine Schwingen ausgebreitet hatte, als wollte er sich in die Luft erheben. Warum sie statt Gold oder Silber oder gar Sternensilber Platin wählte, wusste Faeril nicht, doch als sie das Edelmetall zum ersten Mal berührte, spürte sie, dass es das Richtige war. Während sie an dem Schmuckstück arbeitete, ging ihr immer wieder etwas im Kopf herum, ein Gedanke, den sie nicht fassen konnte, der sich ihr immer wieder entzog; sie erhaschte ihn von fern, konnte ihn jedoch nie klar erkennen. Als sie ihr Kunstwerk aber beendete und die Kette sowie der Kristall im hellen Sonnenlicht funkelten, da erinnerte sie sich plötzlich an die Worte von Dodona, dort, im Ring des Kandra-Holzes.
Der Alte richtete seinen Blick zur Seite, als sähe er etwas außerhalb des Kreises aus Bäumen. »Ja, Kind, deine Gefährten sind sehr würdig. Du reist mit einem Freund; das weiß ich, denn das Amulett um deinen Hals gehört ihm, nicht dir. Außerdem reist du mit einem BärMeister, und ich weiß, woher er kam. Du reist mit einer, welche die Hoffnung der Welt in sich tragen wird, und auch sie ist dessen würdig. Du reist mit einem, der helfen wird, die Welt von einer tödlichen Bedrohung zu befreien, wenngleich nicht von der, die du suchst. Und du reist mit einem, der dich liebt, einem, den du liebst. All diese Gefährten sind in der Tat ehrbar.«
Faeril stockte der Atem. »Du reist mit einer, welche die Hoffnung der Welt in sich tragen wird, und auch sie ist dessen würdig.«
Überwältigt von diesem Gedanken setzte sich Faeril und starrte auf den Kristall in ihrer Hand. Könnte Dodona das gemeint haben? Dass Riatha ein Kind in sich trägt, das die Hoffnung der Welt sein wird?
Plötzlich klangen ihr Aravans Worte in den Ohren: Weissagungen sind häufig subtil… und auch tückisch - so mögt Ihr wähnen, dass sie das eine zu meinen scheinen, obwohl sie etwas vollkommen anderes bedeutet. Faeril behielt ihre Überlegungen jedoch für sich, weil sie länger über Dodonas Worte nachdenken wollte, bevor sie ihre Einsicht mit jemandem teilte. Häufig jedoch blickte sie in den klaren Kristall und betrachtete den Vogel
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