Mithgar 16 - Drachenmacht
mich lieber in Erde oder noch besser: Weiht meine Seele Adon auf den goldenen Schwingen der Flammen.«
Faeril drückte ihrem Bokkerer die Hand.
Aravan deutete nach Osten. »Pyramiden, Monolithen, Monumente: Sie alle sollen ewig dauernden Ruhm verkünden, aber die meisten ereilt dasselbe Schicksal wie diesen Obelisken: Sie tragen Inschriften, die für die Lebenden keinerlei Bedeutung mehr haben.«
»Unsterblichkeit haben sie vielleicht«, brummte Urus, »aber niemand kennt sie.«
»Wenn die Menschheit unsterblich wäre, fragt Ihr?« Riatha sah auf die Damman herunter. »Aro! Mit ihrer geringen Disziplin würden sie die Welt Übervölkern und mit sich ins Verderben reißen!«
Faeril spülte die Kleidung aus, die sie im Wasserloch der Oase gewaschen hatte. »Wie die Lemminge? Aravan hat Gwylly und mir von Lemmingen erzählt und wie sie in ihren Untergang hasten!«
»Schlimmer als Lemminge, Faeril. Viel schlimmer. Lemminge besitzen nicht den Verstand, die Macht oder auch nur die Fähigkeit, die Welt zu zerstören. Die Menschheit dagegen schon.«
Faeril reichte der Elfe das brussa. Als Riatha das Hemd über den Strick hängte, den sie zwischen zwei Bäume gespannt hatten, nahm Faeril eine Hose und tauchte sie ebenfalls ins Wasser. »Werden sich die Menschen jemals ändern? Ich meine, werden sie begreifen, dass sie ein Teil dieser Welt sind, und dass aller Schaden, den sie zufügen, ihnen selbst zugefügt wird?«
Riatha schüttelte den Kopf. »Das weiß ich nicht, Kleine. Ich kann es wirklich nicht sagen. Aber eines weiß ich: Die Menschen sind klug und einfallsreich, und wenn sie ihre Existenz verlängern können, so werden sie es tun. Doch wenn sie einfach nur ihre Zeitspanne hinausschieben, ohne ihre Wahrnehmung der Auswirkungen zu schärfen, die sie auf die Welt ausüben, dann muss das zu einem katastrophalen Ende führen. Kann der Mensch seinen unersättlichen Appetit zügeln, so besteht Hoffnung für Mithgar. Sollte er jedoch seinen gierigen Griff beibehalten, dann wird diese Welt keinen Bestand haben.«
»Yah hoü«, schrie Gwylly. »Hier gibt es Früchte für alle.«
Gwylly, Aravan und Urus kamen zurück zum Wasserloch. Sie hatten einen Tuchbeutel mit Trauben reifer Datteln gefüllt. Gwyllys Mund war bereits braun gefleckt.
»Pass auf die Kerne auf, Liebste, sie ähneln denen von langen, dünnen Pfirsichkernen, aber sie sind so hart wie Steine.«
Als sich Aravan neben Faeril hockte und anfing, auch seine Kleidung zu waschen, lachte er und sagte: »Euer Bokkerer, Faeril, hat wahrlich Affenblut in den Adern. So wie einer von denen, deren Kunststücke wir gegen Geld auf den Straßen von Sabra sehen konnten.«
»Ha!«, rief Gwylly. »Urus hat mich die halbe Dattelpalme hinaufgeschoben.«
Riatha nahm eine Dattel, biss hinein und lächelte bei dem süßen Geschmack. »Hätten wir Zeit, könnten wir einige davon trocknen und mitnehmen, sogar durch die Karoo.«
Als der Vollmond über dem Horizont hing, summte Gwylly ein Lied. Faeril sah ihn fragend an. Er deutete auf die volle, gelbe Scheibe am Himmel und sang die Worte:
»Fiddel-di-di, fiddel-di-die,
Die Kuh springt hoch in die Wolken,
durch die Luft und über den Mond …
Oh sieh doch, sagt der Teller zum Löffel.
Der Löffel stand auf und blickte hinauf
Und antwortete nach einer Weile ernst:
>Das ist merkwürdig, da stimme ich zu, zudem höchst unerwartet,
ebenso seltsam, als würde der Hund mit der Katze tanzen.<
Kaum sagte er das, da geigte die Fiddel,
und der Hund führte die Katze in eine Promenade,
und die Kuh fiel auf der anderen Seite des Mondes hinab,
und der ängstliche Teller lief mit dem Löffel davon.
Ich lachte so sehr, dass mir die Tränen kamen,
der Hund lachte auch neben mir,
die Katze miaute laut und lange,
als die Fiddel schon ein weiteres Lied kratzte …
Aber die Kuh fiel mir mit einem Rumms auf den Kopf, Und da wachte ich auf - und war aus dem Bett gefallen! Bumms… Krach!«
Urus’ dröhnendes Gelächter hallte in die Nacht hinaus, übertönte Faerils Kichern und auch das Lachen von Riatha, Aravan und Gwylly.
Als wieder einigermaßen Ruhe in die Oase eingekehrt war, fragte Faeril ihren Bokkerer: »Wo hast du so einen wundervollen Unsinn gelernt, Gwylly?«
»Mein Vater, mein menschlicher Pflegevater, Orith, hat es oft gesungen, wenn er mich ins Bett brachte. Aber ich bin nicht eingeschlafen, sondern musste die ganze Zeit über lachen. Dann hat Neida, meine Mutter, Vater gescholten, weil
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