Mittagessen Nebensache
kam und uns
erklärte, sie habe sich mit ihrem Vater entzweit. Sie wollte ihn nie wiedersehen,
aber Tim unter allen Umständen heiraten. Ganz ruhig hatte Anne damals ihren
Plan gefaßt, ohne Rücksicht auf ihren geliebten Daddy zu nehmen. Sie heiratete
Tim in aller Heimlichkeit, obwohl sie noch gar nicht mündig war.
»Aber Anne, so bedenke doch,
wie es dem armen Colonel zumute sein muß«, sagte ich und bekämpfte eine
rührselige Anwandlung.
Auf Larrys Stirn bildete sich
sofort eine steile Falte. »Und Tim...? Ich hoffe, er hat dem Colonel ebenfalls
gründlich Bescheid gesagt ohne Rücksicht darauf, daß es sich um deinen Vater
handelt.«
»Tim... «, wiederholte Anne
bedächtig. »Tim wurde nur sehr blaß und erwiderte kein Wort auf Papas Vorwürfe.
Und als ich dann auszupacken begann, stand er einfach auf und ging hinaus. Und
gerade in dem Augenblick hätte ich so dringend seine Unterstützung gebraucht.«
»Aber er konnte doch mit deinem
Vater keinen Streit anfangen«, sagte ich unbehaglich. »Das hättest du ihm doch
sicher übelgenommen.« Im gleichen Moment wurde mir bewußt, daß ich ihr mit
solchen Einwänden bestimmt auf die Nerven fallen würde.
»Ich nehme ihm übel, daß er
immer klein beigibt und mir nie hilft. Als Papa dann gegangen war, kam Tim an
die Reihe. Ich habe ihm wohl mehr gesagt, als gut sein mochte, vor allem sagte
ich manches, was viel böser klang, als ich es meinte. Ich war eben richtig in
Rage und darum wohl sehr ungerecht. Ich weiß gar nicht, was über mich gekommen
ist.«
»Das liegt an dem Baby«,
erklärte ich. »Das geht uns allen so, und Tim wird es sicher verstehen.«
»Bisher scheint er aber nicht
das geringste verstanden zu haben. Jedenfalls hat er kein Wort gesagt. Ihr wißt ja, wie Männer sein können: Sie sagen keinen Ton und
laufen nur mit einer Märtyrermiene herum.«
Larry winkte. »Ich weiß Bescheid.
Das ist ihre Waffe, dagegen kann man nichts machen. Aber du hast dich doch
später wieder mit ihm ausgesöhnt?«
»Dazu hatte ich keine
Gelegenheit. Er schlief im Gästezimmer, und als ich heute
morgen aufwachte, war er schon fort.«
»Oh, das hätte er aber nicht
tun sollen«, rief ich bestürzt. »Du Ärmste!«
»Hör auf mit deinen
Mitleidsbezeigungen, sonst kriege ich noch einen Schreikrampf«, schnitt Anne
mir ungewöhnlich heftig das Wort ab. »Ich werde nicht nachgeben. Ich fahre
jetzt in die Stadt und werde irgendwo bleiben — vielleicht in dieser Pension,
in der du auch warst, Larry. Wenn überhaupt ein Zimmer frei ist. Sonst versuche
ich es in einem Hotel. Es kommt ja gar nicht darauf an.«
»Aber du kannst doch nicht in
einem Hotel wohnen«, widersprach ich, entsetzt bei der Vorstellung, mit welchen
Gefühlen ein Hotelier Anne begegnen mußte, wenn er sie in ihrem jetzigen
Zustand sah.
»Ach, keine Angst. Ich werde
schon was finden. Es ist ja nicht für lange.«
»Ungefähr einen Monat noch,
ja?« fragte Larry. »Ein Monat kann unendlich lang sein, Anne. Besonders wenn
man von zu Hause fort ist und irgendwo draußen darauf wartet, daß das Baby
endlich kommen soll. Vielleicht erinnerst du dich noch, wie Sam sich damals
aufführte, als er unter allen Umständen verhindern wollte, daß ich dasselbe
Abenteuer erlebte wie Susan mit ihrem Christopher. Ich mußte schon drei Wochen
vor der Zeit in dieses Heim und bin halb verrückt geworden. Ein Haufen Frauen,
die genau so schrecklich aussahen wie ich und die den ganzen Tag ihre
Erfahrungen im Kinderkriegen austauschten.«
»Bei mir dauert es keinen
Monat«, behauptete Anne zuversichtlich. »Höchstens eine Woche. Nun schau mich
nicht so an, Larry. Ich habe neulich schon mit Susan darüber gesprochen. Es
wird jetzt höchste Zeit, daß ich endlich zu einem Arzt gehe und mir Gewißheit
verschaffe. Aber selbst wenn es noch einen ganzen Monat dauern sollte, wäre ich
in der Stadt immer noch besser aufgehoben als bei diesen beiden schrecklichen
Männern. Denen geschieht es ganz recht, wenn sie einmal Zeit zum Nachdenken
finden.«
Die Grippe mußte wohl doch
nicht ganz ohne Folgen bei mir geblieben sein — ich konnte es einfach nicht
lassen, Anne mit meinen Vermittlungsvorschlägen auf die Nerven zu fallen. »Aber
du meinst es doch gar nicht so«, sagte ich. »Das kannst du doch den beiden
nicht an tun.«
»Susan, versuche jetzt nicht
wieder Frieden zu stiften. Diesmal ist es ernst. Wenn Papa fortwährend über uns
bestimmen will und Tim sich widerspruchslos damit abfindet, können wir gleich
Schluß
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