Mitten im Gefühl: Roman (German Edition)
fahren.
Gott allein wusste, wohin sie unterwegs waren. Das war nicht gerade die vornehmste Ecke von Bristol. St Philips, las Daisy auf einem Straßenschild. Na toll. Sie hoffte nur, dass Dev Tyzack sie an ihrem freien Tag nicht zu einer ehrenamtlichen Kanalreinigung zwangsverpflichtet hatte.
»Sie scheinen jede Art von Wasser magisch anzuziehen!« Dev klang resigniert, als er ihr ein Taschentuch reichte. »Jedes Mal, wenn ich Sie sehe, ist Ihr Gesicht nass.«
Aber es klang freundlich, nicht sarkastisch, und als Daisy elefantengleich in das Taschentuch geschnäuzt hatte, klopfte er ihr aufmunternd auf die Schulter.
Soviel zu vornehmer Zurückhaltung, dachte Daisy, wischte sich die Augen und kämpfte gegen die dicken, bebenden Schluchzer an, die es ihr beinahe unmöglich machten, etwas zu sagen. So hatte sie sich den Verlauf dieses Vormittags wirklich nicht vorgestellt.
»Haben Sie mich d-deswegen hergebracht? Um mitzuerleben, wie ich einen Idioten aus mir m-mache?« Sie wischte sich auch über die tränenfeuchten Wangen. Es war ihr zu peinlich, ihn anzusehen.
»Natürlich nicht. Wie hätte ich ahnen sollen, dass Sie so emotional reagieren würden?«
Emotional reagieren? Sie rotzte wie ein Riesenbaby.
»Das war ein ganz schmutziger Trick«, brummte Daisy.
»Da liegen Sie völlig falsch.« Seine Mundwinkel verrieten seine Belustigung. »Denken Sie doch mal darüber nach. Sie leiten ein Hotel, Sie brüllen Ihre Gäste an, Sie klettern Bäume hoch wie ein … «
»Ich brülle meine Gäste nicht an!«
»Sie haben mich angebrüllt«, rief Dev ihr in Erinnerung. »Und wie! Ich kann Ihnen versichern, dass ich es mit der Angst zu tun bekam.«
»Ja klar. Sehr komisch.«
»Na, Sie wissen schon, was ich damit sagen will. Ich dachte, Sie seien für so einen Job perfekt geeignet.«
»Danke. Phantastisch. Sie dachten also, ich sei eine kalte, herzlose Ziege, die in ihrer Freizeit Kätzchen ertränkt und blinden Waisenkindern das Taschengeld stiehlt.« Daisy schüttelte den Kopf. »Sie verstehen es phantastisch, einer Frau zu schmeicheln.«
»So habe ich das keineswegs gemeint. Mir kam nur nie der Gedanke, Sie könnten auf diese Weise reagieren.« Dev zeigte auf sein Gesicht. »Sehen Sie? Weine ich vielleicht?«
Hm, vielleicht weinte er nicht richtig, aber Daisy war sich ziemlich sicher, dass sie in seinen dunklen Augen eine verräterische Feuchtigkeit wahrnahm. So ungerührt, wie er tat, war er jedenfalls nicht.
Sie blinzelte, holte tief Luft und wappnete sich innerlich.
»Also gut, ich habe aufgehört. Sollen wir jetzt wieder hineingehen?«
»Sind Sie sicher?« Dev schenkte ihr ein unerwartet warmherziges Lächeln. »Sie müssen nicht, wenn Sie nicht wollen.«
»Kommen Sie schon.« Daisy schob sein feuchtes Taschentuch in ihren Ärmel, nahm die Schultern zurück und wandte sich der Tür zu, deren blaue Farbe großflächig abblätterte. »Los schon. Mir geht es bestens.«
Zu beiden Seiten des Betonflures befanden sich abgetrennte Käfige. In jedem Käfig befand sich ein Hund.
Unglaublich viele Hunde in allen Größen und Formen. Bei einigen erkannte man die Rasse, bei anderen nicht. Manche lagen auf dem Boden, wachsam und stumm, aber die meisten sprangen an der Käfigwand hoch, als sie näher kamen. Einige bellten laut, andere wimmerten verzückt, um Kontakt herzustellen. Sie wedelten mit dem Schwanz, ihre Pfoten kratzten eifrig gegen die Gitter, ihre kleinen Hundegesichter strahlten …
Daisys Augen füllten sich wieder mit Tränen. Tja, wer würde bei diesem Anblick nicht weinen? Welcher Mensch wäre angesichts dieser unschuldigen kleinen Kreaturen nicht gerührt? O Gott, es geht schon wieder los.
»Also gut, gehen wir vernünftig vor«, verkündete Dev Tyzack. Ein wenig zu brüsk, dachte Daisy. »Ich habe Sie als Stimme der Vernunft mitgebracht. Sie sollen mir helfen, den richtigen Hund für mich auszusuchen. Ich brauche etwas in der richtigen Größe, eventuell einen Labrador oder einen Setter. Ich will einen Hund, der gut erzogen und intelligent ist. Keinen Kläffer und keinen, der ungehorsam ist, und ganz bestimmt keinen … Daisy, hören Sie mir überhaupt zu? Wie wäre es mit der Dänischen Dogge hier drüben? Doggen haben mir schon immer gefallen. Daisy, wohin gehen Sie?«
»Dieser hier«, rief Daisy vom anderen Ende des Flures. »Diesen Hund müssen Sie nehmen.«
»Wie bitte? Den hier?« Er trat zu ihr, starrte in den Käfig und schnaubte belustigt auf. »Ach bitte, das kann doch nur ein Scherz
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